Nach „A Star is Born“ widmet sich Bradley Cooper in seiner zweiten Regiearbeit dem musikalischen Genie Leonard Bernstein. Doch in „Maestro“ lässt er nur selten die Noten sprechen, sondern vor allem die brillante Carey Mulligan.
Eine Frau in einem hellblauen Satin-Kleid ziert das Poster von Bradley Coopers „Maestro“. Sie posiert mit dem Rücken zugewandt. Sie trägt eine Perlenkette, Perlenohrringe und einer Zigarette in ihrer rechten Hand. Für einen Film, der sich eigentlich mit Leonard Bernstein auseinandersetzen möchte, einem der wichtigsten zeitgenössischen amerikanischen Komponisten und Dirigenten, ist die Abbildung seiner Ehefrau Felicia Montealegre Cohn Bernstein auf dem offiziellen Filmplakat natürlich ein klares Statement. Und dessen ist sich auch Hollywood-Schauspieler und -Regisseur Bradley Cooper in seiner zweiten Regiearbeit bewusst: Denn statt eines klassischen Biopics erzählt er in „Maestro“, von der komplexen Liebe von „Lenny“ und „Felicia“ in einem sehr klassisch inszenierten Hollywood-Streifen, der vor allem von seiner großartigen Hauptdarstellerin getragen wird.
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Maestro: Wie Bradley Cooper den Mittelpunkt seines Films fand
„Sie müssen im Endeffekt vor dem Publikum und Gott stehen und sich selbst zerstören“, sagte Cate Blanchett im Oscar-nominierten „Tár“. Es ist natürlich passend, dass ein Jahr nach dem herausragenden Spielfilm von Todd Haynes, der bei den Filmfestspielen von Venedig im vergangenen Jahr seine Uraufführung feierte, nun der nächste „Komponisten-Film“ das Festival zum Diskutieren bringt: Allerdings ist „Maestro“ von Bradley Cooper ein gänzlich anderes Biest, als der zynische und bitterböse „Tár“. Und das nicht nur, weil Leonard Bernstein im Gegensatz zu seiner fiktiven Kollegin sehr wohl eine wichtige Persönlichkeit der musikalischen Szene war und noch immer ist.
„Maestro“ beginnt mit dem vermutlich wichtigsten Ereignis in der jungen Karriere des Ausnahmemusikers, als er im November 1943 als 2. Dirigent kurzfristig für den erkrankten Bruno Walter in der Carnegie Hall einspringen musste und für das landesweit übertragene Konzert gefeiert wurde. Doch Cooper interessieren die musikalischen Höhen und Tiefen des Maestros nur am Rande: Sein Augenmerk richtet er fast komplett auf die Beziehung zwischen Leonard Bernstein und seiner Frau Felicia Montealegre Cohn Bernstein, die sich auf einer privaten Party in den 1940er Jahren kennengelernt haben sollen – ein Auftakt für eine wirklich außergewöhnliche Beziehung.
Ursprünglich waren die beiden Hollywood-Ausnahmeregisseure Martin Scorsese und Steven Spielberg vorgesehen, um die Geschichte von Leonard Bernstein auf die große Leinwand zu bringen. Doch nach dem Oscar-prämierten Erfolg von „A Star is Born“ übernahm Bradley Cooper das Projekt und legte sich nach einer mehrjährigen Recherche-Phase fest, dass die Ehe zwischen dem Komponisten und der Schauspielerin das zentrale Element von „Maestro“ werden soll.
Maestro: Starkes Ensemble trägt einen wechselhaften Film
Sich dem liebenden und leidenden Privatmenschen hinter dem öffentlich sehr präsenten Komponisten zu widmen, erweist sich in „Maestro“ als cleverer Schachzug: Denn gerade die gemeinsamen Szenen von Cooper und Mulligan erweisen sich als Herzstück eines Films, der mit seiner Bildsprache und Inszenierung oftmals sehr starke Referenzen zu „Classic Hollywood“ aufweist, aber vor allem in den unorthodoxen Nebenschauplätzen seine emotionale Wucht versteckt. Mulligan reißt dabei fast jede Szene mit Cooper an sich. Die „Promising Young Woman“-Darstellerin ist die wahre Dirigentin in der fragilen Beziehung zum Star-Komponisten, der, zerrissen zwischen seinen Projekten und seinen homosexuellen Liebschaften, vor allem dann Erdung erfährt, wenn er mit Zigarette in der Hand Rücken an Rücken mit seiner sensiblen Frau sitzt.
Manchmal zärtlich, manchmal wuchtig entladen sich die Differenzen der beiden in gut geschriebenen Dialogen, die oftmals sehr ehrlich die Schattenseiten der Künstler-Partnerschaft auf den Tisch legen, anstatt sich in den künstlerischen Höhepunkten der beiden zu suhlen. Damit verdient sich „Maestro“ auch das emotionale letzte Drittel des Films, in dem es um die Krebserkrankung von Felicia geht, auch wenn Cooper hier hin und wieder etwas zu lange und zu häufig auf die Tränendrüse drückt. Generell fehlt es „Maestro“ immer wieder an spannenden Nuancen bzw. dem richtigen Fokus, auch wenn er zumindest auf seine starken „Performer“ auf und neben der Bühne bauen kann. Neben der brillanten Mulligan zeigt auch „Stranger Things“-Darling Maya Hawke als älteste Tochter von „Lenny“ und „Felicia“, dass wir in Zukunft noch Großes von ihr erwarten dürfen.
Für Carey Mulligan ihre herausragende Performance bei „Maestro“ sicherlich Oscar-Buzz erzeugen. Und auch Bradley Cooper könnte in die Hand spielen, dass nach „Everything Everywhere All at Once“ wieder ein klassischer Hollywood-Streifen im Rennen um den begehrten Oscar-Jungen gefragt sein wird. Ein bisschen mehr Komplexität und ein bisschen mehr „Crescendo“ hätten wir uns vom Film dennoch gewünscht.
Wir haben "Maestro" bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2023 gesehen. Nach seiner Weltpremiere ist Maestro ab dem 20. Dezember exklusiv auf Netflix zu sehen.
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