Am 3. Februar 2022 startet "Wunderschön" im Kino, ein Film, in dem fünf Frauen dem ständigen Optimierungswahn den Kampf ansagen. Eine von ihnen ist Julie, gespielt von Emilia Schüle. Wir sprachen mit ihr.
Nah, ehrlich und sensibel – mit einer guten Prise Humor: In dem Film „Wunderschön“, der am 16. Dezember nach langer Corona-Verzögerung endlich in die Kinos kommt, geht es um Schönheitsideale, die Konfrontation damit in der Gesellschaft und die eigene, angekratzte Wahrnehmung des Körpers.
TV Movie Online hat mit Emilia Schüle (29) über ihre Rolle als Julie, Gesellschaftsdruck und das Unwohlsein im eigenen Körper gesprochen.
Im Film geht es um Selbstliebe und den Kampf mit dem eigenen Körper. In welchen Situationen fühlen Sie sich unwohl?
Emilia Schüle: Ich fühle mich mit manchen Leuten besonders wohl und merke dann eher die Diskrepanz zu anderen Momenten, in denen ich irgendwie gar nicht ich selbst sein kann. Wenn ich mich zum Beispiel irgendwie gehemmt fühle oder mich bemühe, anders zu wirken als ich eigentlich bin. Das sind Situationen, in denen fühle ich mich unwohl – aber das hat oft was mit einem selbst zu tun.
Was tun Sie dagegen?
Emilia Schüle: Ich glaube, wir müssen alle lernen, unseren Körper so anzunehmen, wie er ist. Und eher schauen, wie man sein Gefühl zu sich selbst verändern kann. Was gibt es für Tools, um sich wohler zu fühlen? Wie kann man seine Energie verlagern auf Dinge, die einen anders erfüllen?
Hat das bei Ihnen schon geklappt?
Emilia Schüle: Durch den beruflichen Weg, den ich eingeschlagen habe, gab es Momente, in denen ich von professionellen Menschen um mich herum verwandelt wurde und ich mich plötzlich wie ein Schwan gefühlt habe, nachdem ich mich davor wie ein hässliches Entlein gefühlt habe. Das hat etwas mit mir gemacht. Ich würde auch sagen, dass meine Rettung in gewisser Weise die Schauspielerei war, die ich für mich gefunden habe. Das hat den Fokus verlagert auf Dinge, die mir wirklich wichtig sind und wofür ich kämpfe. Das hat dann einfach so ein bisschen die Perspektive verändert.
Sie spielen im Kinofilm die Rolle der „Julie“, einem Mädchen, die mit allen Mitteln versucht, den Schönheitsidealen der Gesellschaft zu entsprechen. Wie ist es Ihnen gelungen, sich so gut in Ihre Rolle hineinzuversetzen?
Emilia Schüle: Ich konnte mich schon stark identifizieren mit diesem Gefühl, beruflich von Menschen abhängig zu sein, die etwas in einem sehen und einen buchen wollen. Und wenn man erst einmal abgewiesen wurde, fragt man sich schon: Wie kann ich mich verbiegen und verändern, um mich anzupassen? Dabei entfernt man sich in dem Moment ja von dem, der man eigentlich ist. Aber natürlich hat mich Julies Geschichte auch an Gefühle aus meiner Jugend erinnert, wo ich mich unwohl in meinem Körper gefühlt habe. Und wo ich mich sehr hab blenden lassen von den ganzen kaputten Schönheitsidealen, die uns alle umkreisen.
Für diese Rolle haben Sie sich auch optisch angepasst und hatten eine große Typveränderung …
Emilia Schüle: Jetzt für Julie habe ich mir die Haare abrasiert und habe auch abgenommen. Ich würde da tatsächlich gerne mal mehr rumprobieren und schauen, wie man sich noch mehr optisch verändern könnte, das über eine Perücke herausgeht. Aber andererseits ist das natürlich auch ein großer Traum als Schauspielerin, sowas machen zu dürfen und so einen besonderen Moment einem Film geben zu dürfen.
Kostete es viel Überwindung?
Emilia Schüle: Natürlich ist es für jede Frau krass, die Haare zu verlieren, weil man sich wirklich fragt, ob man dann noch weiblich und schön aussieht. Die ganzen Fragen haben mich auch umtrieben, aber umso intensiver ist das Gefühl danach, wenn man sich getraut hat. Das macht ganz viel mit deiner Haltung. Dann auch zu verstehen: Ich bin immer noch eine Frau und ich brauche die Haare gar nicht, das ist so ein neues Selbstbewusstsein, das man da bekommt. Ich bin sehr dankbar dafür, weil ich mich das privat nicht getraut hätte. Und jetzt hab ich es ja auch behalten, weil ich es echt cool finde.
Sie stehen in der Öffentlichkeit. Sind Sie als Schauspielerin einem höheren körperlichen Druck ausgesetzt?
Emilia Schüle: Ich würde ehrlich gesagt nicht behaupten, dass das für mich schwerer ist als für jede Jugendliche, junge Mutter oder auch Männer dieser Gesellschaft. Wir sind alle diesem absolut widersinnigen, „gephotoshopten“ Idealen ausgesetzt, die wirklich realitätsfern sind.
Wie nehmen Sie die Entwicklung der Schönheitsideale, gerade auch auf Social Media, wahr?
Emilia Schüle: Früher hat man Werbung und schlanke, große Models nur im Fernsehen und auf Plakaten gesehen. Jetzt ist es das erste, was du siehst, wenn du morgens Instagram öffnest. Außerdem ist es viel leichter geworden für die Kids, Bilder zu bearbeiten und sich irgendwie schlanker zu machen. Ich glaube, wir leben in einer totalen Selbstinszenierung und Illusion, weil keiner wirklich das ist, was da abgebildet ist. Immer erst das zehnte Selfie, das man gemacht hat, wird hochgeladen.
Sind Sie viel in den Sozialen Netzwerken unterwegs?
Emilia Schüle: Ich versuche es sehr zu reduzieren. Als ich mir das runtergeladen habe, habe ich natürlich auch sehr viel von mir preisgegeben und darüber gar nicht nachgedacht. Seit zwei oder drei Jahren mache ich ganz bewusst Social-Media-Detox und versuche, immer ein paar Tage der Woche auch ganz offline zu sein.
Sie sind für viele junge Mädchen ein Vorbild. Welchen Tipp würden Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Emilia Schüle: Ich würde allen empfehlen, danach zu suchen, was einen glücklich macht. Das kann eine totale Erlösung und Erleichterung sein, wenn man etwas findet, wofür man wahnsinnig brennt. Dann verlagert sich auch die Energie, die man darauf verschwendet, die eine Delle am Oberschenkel loszuwerden. Das ist nichts, woran du zurückdenkst, wenn du in deinem Schaukelstuhl sitzt.
Sondern?
Emilia Schüle: Woran du zurückdenkst, sind Momente mit Freunden, Dinge, die du gelernt hast, Reisen, die du gemacht hast, Momente, wo du dich überwunden hast. Und ich glaube, in diese Verlagerung muss man sich rein wagen und reintrauen.
Das Interview führte Laura Carstens.