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„broke.alone“: Deswegen finden Sexualtherapeuten den Film klasse | Interview

Die deutsche Komödie „broke.alone“ besticht vor allem durch ihren positiven Umgang mit ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben. Darüber sprachen wir mit der Regisseurin, der Hauptdarstellerin und einem der Produzenten im Interview.

„broke.alone“: Deswegen finden Sexualtherapeuten den Film klasse | Interview
Der deutsche Film „broke.alone" geht sehr offen mit Sexualität um. Foto: Take25PicturesFilmwelt Verleihagentur
Inhalt
  1. „broke.alone“: Interview mit Regisseurin Anna Unterweger, Hauptdarstellerin Nora Iselei und Produzent Hauke Schlichting
  2. Sexpositiv, kein Shaming
  3. „So eine Situation hat [,,,] auch eine gewisse Eigenkomik" 
  4. Nacktheit sollte normal sein
  5. „Jetzt habt ihr mich alle nackt gesehen, ist auch gut jetzt.“

Deutsche Erotik-Komödien haben eine interessante Wandlung erlebt. Von den Zoten der 70er- und 80er-Jahre ging es in den jungen 2000ern in die Teenie-Richtung, die „American Pie“ so populär gemacht hatte. Doch seitdem scheint sich das Mainstream-Kino in Deutschland erotischen Themen eher zu verschließen. Dann kommt „broke.alone“ daher – und thematisiert nicht nur Sex, sondern gleich diverse Vorlieben wie Latex-Anzüge oder aggressiven Dirty Talk, über die in der Allgemeinheit eher selten gesprochen wird. Wie gut das funktioniert, könnt ihr in unserer Filmkritik nachlesen:

 

„broke.alone“: Interview mit Regisseurin Anna Unterweger, Hauptdarstellerin Nora Iselei und Produzent Hauke Schlichting

Wir trafen Regisseurin Anna Unterweger, Hauptdarstellerin Nora Islei und Produzent Hauke Schlichting, um über ihren Film zu sprechen. Dieser wurde inzwischen in einigen Special Screenings gezeigt – und die Reaktionen waren bisher äußerst positiv, wie Unterweger berichtet: „Es ist schön, so viel Bestätigung zu bekommen. Es ist alles aufgegangen, wie wir es uns gewünscht haben. Wenn man nach einer Vorstellung ins Kino geht und das Publikum anschaut, sieht man so viele leuchtende, strahlende Gesichter.“ Auch Schlichting, der als Produzent unter Anderem an den beiden „Kartoffelsalat“-Filmen beteiligt war, freut sich über die positive Resonanz – gerade in Anbetracht dessen, dass deutsche Filme nicht den besten Ruf genießen: „Es ist so schön zu hören, dass sich viele freuen! Ich höre oft, dass sich die Leute bei deutschen Filmen im Voraus manchmal 'Och ne' denken. Aber dann eben, dass sie diesen Film richtig gut finden: 'Das für einen deutschen Film, das war lange mal wieder Zeit!'“

Auch das Publikum, welches den Film unfreiwillig gesehen hat, war laut Islei scheinbar angetan: „Unser Film lief auch in einer Sneak Preview. Das heißt, da saßen auch viele Leute im Publikum, die den Trailer vielleicht nicht gesehen haben oder jetzt aufgrund des Trailers nicht hingegangen wären. Und der Sneak-Moderator meinte danach, dass er es selten erlebt habe, dass so wenig Leute rausgehen, was bei einer Überraschungs-Preview manchmal normal ist.“

Ein großer Pluspunkt des Films, neben einer sympathischen Hauptfigur, ist der positive Umgang mit den erwähnten Themen – was dem Team laut Unterweger bei einer Vorstellung Komplimente einer Expertin einbrachte: „Wir haben neulich eine Sexualtherapeutin im Publikum gehabt. Sie ist fast aufgestanden von ihrem Sitz, weil sie gesagt hat: 'Leute, warum habt ihr quasi so lange gebraucht, so was Geiles, Tolles ins Kino zu bringen?' Sie ist seit Jahren in der Branche und wir hätten es in 90 Minuten geschafft, Tabuthemen zu enttabuisieren und mit dieser Geschichte leicht und ehrlich sexuelle Themen anzusprechen.“

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Sexpositiv, kein Shaming

Die Frage, ob die Beteiligten denn schon vorher in irgendeiner Form und Weise Berührungspunkte mit der Kink-Szene oder der Thematik Camgirls habe, würde „uns häufig gestellt“, so die österreichische Regisseurin. Dabei „sollte das gar nicht so thematisiert werden. Es sollte selbstverständlich sein, so einen Film zu machen. Der Spagat dabei ist wichtig, dass es sexpositiv bleibt, dass es nicht zum shaming, sondern dass es einfach enttabuisiert wird und zur Normalität gehört. Am Ende soll man denken 'Ah, das könnte ich sein und das ist total in Ordnung'.“

Auch Islei, die wie ihre Rolle Sarah aktuell studiert, ging ohne Vorerfahrung an das Projekt: „Ich hatte keine Berührung zur Kink-Szene. Und dann hat unsere Kostümdesignerin Marla ganz wilde Outfits zusammengesucht. Als ich die das erste Mal anhatte, fühlte ich mich irgendwie verkleidet und eher wie ein dürres Opfer. Als dann aber noch Make-up dazukam und die Haare gemacht wurden habe ich gemerkt, was für eine Power so ein Kostüm haben kann und fühlte mich toll. Ich weiß nicht, ob es das ist, was Leute in der Kink-Szene berührt oder bewegt. Aber das war ein krasser Kontrast von der ersten Anprobe und dem, wie ich vor der Kamera performed habe, als ich mich dann super sexy und wohlfühlte.“ Diese Entwicklung macht auch ihre Figur während des Films durch, ein Prozess, auf den Islei sie gerne begleitet hat: „Natürlich habe ich überlegt, wie ich mich auf die Rolle vorbereite. Aber Sarah ist kein Camgirl zum Start des Films. Wir haben relativ chronologisch gedreht, das heißt, ich konnte mit der Figur auf diese Reise gehen und diese Welt auch durch ihre Perspektive entdecken.“

Auch Unterweger hatte in Vorbereitung sich Gedanken darüber gemacht, wie genau sie zum Beispiel Camgirls in ihrem Film zeigen will: „Als das Projekt bei mir gelandet ist, bin ich natürlich auf Webseiten gegangen und hatte das Vergnügen, mit unserer „Alicia Secret“, also Aische Pervers, in Kontakt treten zu dürfen. Ich habe mir angeschaut, wie die Realität ist und wie möchte ich es in unserem Film präsentieren. Es ist ja keine Dokumentation über Camgirls, also habe ich für unsere Hauptfigur Sarah diese Welt kreiert.“  Denn bekanntermaßen ist die Thematik nicht ohne ihre Probleme. Laut „Terre des Hommes“, eine unabhängige Kinderrechtsorganisation, werden weltweit „mehrere 10.000 Kinder für Webcam-Kinderprostitution missbraucht“. Dieser Aspekt spielte bei „broke.alone“ aber nie eine Rolle: „Wir sind in der Welt einer Komödie, sonst hätte man den Film einfach als Drama inszenieren können, dann hätten ganz andere Themen hervorgestochen. Wir gehen mit dem nötigen Ernst daran, lockern es aber auch auf“, so Schlichting.

„broke.alone. A Kinky Love Story“: Eine gute deutsche Erotik-Komödie? | Kritik
Sarah wächst in ihre Rolle als Camgirl Foto: Take25PicturesFilmwelt Verleihagentur
 

„So eine Situation hat [,,,] auch eine gewisse Eigenkomik" 

Eine andere Sache lockert der Film auch auf – denn „broke.alone“ spielt während der Corona-Pandemie, Hauptfigur Sarah ist über zwei Wochen in Quarantäne. Schlichting sah darin eine Chance für Humor: „Während der Pandemie mussten wir uns alle neu finden. Eine Kinoproduktion, ohne dass sich mehr als drei Leute treffen dürfen, ist eigentlich nicht möglich. Die Idee des Films war trotzdem ein bisschen seltsam, Sarah nennt es ja auch 'Hausarrest für Erwachsene'. Dann hat man vielleicht eine Freundin in einer anderen Stadt, die man sehr vermisst. Plötzlich sieht man sich nicht, die Sexualität und die Lust aufeinander bleibt aber. So eine Situation hat, mit allen Problemen, auch eine gewisse Eigenkomik, die wir uns zunutze machen.“ Die Verbindung von körperlicher Einsamkeit und der Lust auf Sex war aber nicht unbedingt ein Fokus: „Wir haben uns nicht absichtlich auf das Thema Sexualität in der Quarantäne gestützt, denn als Camgirl bist du eh separiert. Man hat keinen direkten Kontakt. Und Sarah sagt es einer Szene, die Leute wollen reden und auf eine bestimmte Art und Weise berührt werden. Das war unser Fokus. Was wir glaube ich gut geschafft haben ist, dass man während der 90 Minuten nie das Gefühl von Bedrücktheit hat. Sarah erlebt so viel und hat immer diesen Freiraum, um sich zu entfalten“, so Unterweger. Damit hat die Regisseurin recht, zwar ist Sarah während des Films eigentlich alleine, doch sie hat immer jemanden, um sich mit der Person zu unterhalten. Weswegen eine plötzliche persönliche Konfrontation eine ungewöhnliche Intensität bekommt, wie Schauspielerin Islei beschreibt: „Wir haben auch viel über Bildschirme gedreht, das war sehr interessant und ein Riesenunterschied zu normalen Projekten. Diese Distanz hat man beim Spiel voll gemerkt, Es gibt ja eine Szene, in der mein Vermieter plötzlich mit vielen Leuten in die Wohnung kommt. Das hatte plötzlich eine ganz andere Energie, als Tim Wilde da plötzlich vor mir stand, so nah vor meinem Gesicht. Ich weiß nicht, ob man das spürt als Zuschauer, aber ich habe es gespürt.“

 

Nacktheit sollte normal sein

Ein Thema, welches wohl einige Kinogänger:innen im ersten Moment verwirren dürfte, wäre die Nacktheit von „broke.alone“. Denn auch wenn es keinen direkten körperlichen sexuellen Kontakt gibt, sieht man Sarah recht häufig unbekleidet. Das es aber vielleicht einigen komisch vorkommen könnte, wurde von allen drei Interview-Partnern selbst als seltsam erachtet, wie Schlichting erklärt: „Nora hatte das vor einer Vorführung so schön gesagt: 'Ja, ich war nackt. Aber wisst ihr was? Wir sind alle mal nackt.' Man ist eben in völlig normalen Szenen im Alltag. Viele sind heute verklemmter und wir gehen mit diesem Film mal wieder in eine andere Richtung. Es sollte doch kein Problem sein, dass wir nach dem Mannschaftssport wieder alle duschen und nicht darüber nachdenken. Da weiß man gar nicht, warum das ein Problem ist. Und gerade Nora und Anna haben von Zuschauern immer wieder gehört: 'Ich glaube, ich muss mal lockerer werden.' Wer will sich denn die ganze Zeit darüber Gedanken machen? Wer will sich denn beklemmt fühlen, wenn man schnell seine Badehose wechselt?“ Unterweger musste für diese Darstellung scheinbar kämpfen – und wurde zum Glück dafür bestätigt: „In der Vorproduktion haben wir auch immer gehört: 'Traust du dich das wirklich? Kann man das machen?' Und ich dachte mir dann jedes Mal: 'Warum sollten wir es nicht machen?' Es bekommt so eine Tabu-Energie. Das war der ausschlaggebende Punkt, an dem ich gesagt habe, dass es raus muss – meinte auch die Sexualtherapeutin aus dem Publikum, das muss raus und selbstverständlich sein, dass man eine qualitativ hochwertige Sexkomödie macht und die Leute über diese Themen sprechen.“

Diese Normalisierung ist auch etwas, was Islei während des Drehs spürte: „Es sind auch nicht nur die Kinkszenen, in denen Sarah nackt ist, sondern auch, wenn sie einfach duscht. Da hat man keine Badehose an. Es gibt diese ganzen Szenen von ihr, die so völlig normal sind, wo ich das schön finde, dass da die Nacktheit zu sehen ist. Aber die sind nicht sexuell inszeniert, sondern sie sind einfach da und mehr nicht.“

 

„Jetzt habt ihr mich alle nackt gesehen, ist auch gut jetzt.“

Trotzdem musste sich die 25-Jährige sich häufiger rechtfertigen: „Ich habe auch als Feedback bisher häufig bekommen: 'Cool und sehr mutig. Aber du musst aufpassen, dass du da jetzt nicht in so eine Richtung abrutschst.' Das impliziert schon so eine Wertung. Wenn ich jetzt noch mehr Filme mache, die sich um dieses Thema drehen, dann mache ich das, weil ich Bock drauf habe. Wenn es eine gute Geschichte ist, ich da weiterhin Lust drauf habe und mir sicher bin, diese Herausforderung anzugehen, dann mache ich das. In der Mittelstufe haben wir Mädels uns immer gegenseitig geheime Zeichen gegeben, wenn man zu viel von unserem Ausschnitt gesehen hat. Man war immer so darauf bedacht, sich zu bedecken und nicht zu viel von sich zu zeigen. Und ich hatte auch Respekt davor, mich vor dem Team so zu zeigen. Aber das war dann schnell weg, jeder hat mich hier jetzt nackt gesehen, der Keks ist gegessen. Jetzt kann ich mich entspannen. Ich habe auch durchaus Schiss mit dem Kinostart vor übergriffigen Kommentaren, aber andererseits denke ich mir: 'Jetzt habt ihr mich alle nackt gesehen, ist auch gut jetzt.'“

Den Stolz über das Projekt merkt man allen Beteiligten an. Vor allem die Hauptfigur mit ihrer Gelassen- und Offenheit hat es vielen angetan. Deswegen ist die Meinung eindeutig, wenn es darum geht, was sie selbst aus „broke.alone“ mitnehmen: „Einfach bisschen mehr wie Sarah sein.“



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