Wenige Wochen vor dem Release durften wir "Watch Dogs: Legion" noch einmal ausführlich anspielen. Wie uns der 3. Teil von Ubisofts Hacker-GTA-Counterpart gefallen hat, lest ihr in unserer Preview!
"London Calling" war einmal: Zu Beginn von "Watch Dogs: Legion" begeistert uns die britische Hauptstadt nicht mit ihrem typischen Potpourri aus Monarchie, Nostalgie, Pubkultur und Hipstertum, sondern steht tatsächlich nicht nur sprichwörtlich in Flammen. Verantwortlich dafür ist die mysteriöse Gruppierung namens Zero-Day, die ausgerechnet der Hacker-Widerstandsgruppe DedSec die Verantwortung am massiven Terroranschlag in die Schuhe schiebt. Und wie es dann natürlich immer so ist: Anstatt die Verantwortlichen tatsächlich ausfindig zu machen, freut sich die völlig überforderte britische Regierung darüber, dass die vermeintlichen Schuldigen schnell gefunden sind.
Deshalb wird die Hightech-Firma Albion beauftragt DedSec und seine Mitglieder gnadenlos zu jagen und zu eliminieren. Und zum Repertoire von Albion gehören nicht nur perfide Überwachungsmethoden, die selbst George Orwell nur staunen lassen würden, sondern natürlich auch brutaler Machtmissbrauch und das Hetzen gegen schutzbedürftige Minderheiten. So futuristisch und abgedreht das Szenario von "Watch Dogs: Legion" auf dem Papier einmal geklungen haben muss, so ernst und überraschend zeitgemäß erscheint es gerade im Zeitalter von Trump & Corona, auch wenn Ubisoft den dritten Teil der Hacker-Reihe natürlich mit dem obligatorischen Humor und Zynismus anreichert.
Unsere knapp vierstündigen Anspielsession zu "Watch Dogs 3" starten wir in der Zentrale von DedSec, die selbstverständlich hinter einer Geheimtür eines typischen Londoner Pubs beherbergt ist. Während im Pub das Ale fließt und sich die Besucher bei einer hitzigen Partie Dart duellieren (das könnt ihr als Spieler natürlich auch), tüftelt DedSec in der schicken Untergrund-Zentrale aus, wie sie sich gegen Albion und natürlich auch gegen Zero-Day zur Wehr setzen können. Bevor es auf die nächste gefährliche Mission in den Straßen von London geht, steht jedoch erstmal das A und O einer jeden Rebellion an: die Rekrutierung von neuen Widerstandskämpfern. Und die macht "Watch Dogs: Legion" tatsächlich ziemlich einzigartig in der aktuellen Videospiellandschaft.
Watch Dogs: Legion: Play As Everyone in der Praxis
Schon bei der ersten Ankündigung sorgte "Watch Dogs: Legion" für eine große Überraschung, als stolz verkündet wurde, dass man nicht mit einer speziellen Hauptfigur in den Kampf gegen Zero-Day & Co. zieht, sondern jede erdenkliche Figur in der Spielwelt von "Watch Dogs 3" als potenzielle Hauptfigur rekrutieren kann. Wie das funktioniert? Das konnten wir bei unserer Anspielsession natürlich antesten. Bewohner von London, die DedSec nicht feindlich oder negativ gegenüberstehen, lassen sich meist mit eine einfach Rekrutierungsmission überzeugen, die euch die potenziellen DedSec-Neuzugänge im Gespräch mitteilen.
Etwas kniffliger wird es, wenn ihr Personen rekrutieren wollt, die im direkten Konflikt mit DedSec stehen. So ist uns bspw. beim Anspielen ein Albion-Rekrutierer namens Jon auf den Straßen von London aufgefallen, den wir natürlich liebend gerne vom Widerstand überzeugen wollen. Auf seinem Profil wurde seine DedSec-Sympathie mit "Daumen runter" bewertet, was für uns natürlich bedeutet, dass wir uns etwas umfangreicher mit dem kompletten Tagesablauf unseres wertvollen Rekruten befassen müssen. Als Hinweis wird uns nach dem Hack seines täglichen Tagesablaufs bspw. angezeigt, dass sich eine bekannte Konkurrentin von Jon zwischen 20-21 Uhr an einem gewissen Ort auffinden lässt. Wir hacken zum richtigen Zeitpunkt also die Mails der ungeliebten Kollegin und können nun selbst die offizielle Rekrutierungsmission von Jon starten. Als wir die meist 2-3-teilige Rekrutierungsmission erfolgreich hinter uns gebracht haben, steht uns Jon nicht nur mit seinen Spezialfähigkeiten zur Verfügung, sondern natürlich mit einer ganz speziellen Eigenschaft: Dank Jons eigentlichem Job ist er in der Lage unkontrolliert in jedes einzelne Albion-Gebäude zu spazieren ohne direkt mit DedSec in Verbindung gebracht zu werden.
Das kam uns in einer der Hauptmissionen sehr gelegen, für die wir in ein Albion-Gebäude unentdeckt kommen mussten. Doch komplett unsichtbar bleibt Jon nicht immer: Sowohl Wachen als auch Drohnen werfen in High-Security-Gebieten mehr als nur ein Auge auf einen potenziellen Eindringling. Fällt euer Verhalten auf (weil ihr gerade bspw. einen Computer hackt oder einer Wache attackiert), nützt euch euer vermeintlicher Albion-Hintergrund natürlich nichts. Im Spiel könnt ihr zu jeder Zeit zwischen den rekrutierten DedSec-Mitgliedern hin und herschalten. Scheitert ihr mit einer Hauptfigur bei einem Einsatz, schaltet sich ein automatischer Cooldown für die Figur ein, der eine gewisse Zeit beträgt (die könnt ihr wiederum deutlich minimieren, wenn ihr bspw. medizinisches Personal rekrutiert habt). Die eigentliche Mission setzt ihr dann mit einer anderen Figur fort.
Grundsätzlich hat uns der "Play as Anyone"-Ansatz als Gameplay-Feature verdammt gut gefallen und bringt schließlich auch eine gewisse strategische Komponente ein, weil bestimmte Figuren sich für bestimmte Missionstypen besser eignen als Andere. Ob die humpelnde Oma für den perfekten Stealth-Einsatz bei Albion wirklich sinnvoll ist? "Watch Dogs 3" lässt euch dabei trotzdem die Qual der Wahl und nimmt euch nicht unnötig an die Hand. Der Nachteil: Richtig mitfiebern mit der Hauptfigur ist in der Story eher schwierig, wenn wir unsere Hauptfigur gefühlt häufiger als unsere Unterhosen wechseln.
Watch Dogs: Legion - London als beeindruckender Open-World-Schauplatz
Apropos Spielwelt: So nett San Francisco in "Watch Dogs 2" als Open-World-Schauplatz auch gewesen sein mag, London ist dagegen tatsächlich Next-Level. Diesen kulturellen Schmelztiegel mit seinen sehr unterschiedlichen Distrikten und Einflüssen auch glaubhaft zu treffen, ist eine schier unlösbare Aufgabe. Doch zumindest in unserer Anspielsession erweist sich die Stadt als lebendiger Schlüsselspieler, die uns an fast jeder Ecke mit ihrem Detailreichtum und den vielen liebevollen Details beeindruckt hat. Egal, ob wir kurz mal mit einem Speedboat über die Themse gleiten, uns eine Hacker-Verschnaufpause im "London Eye" gönnen oder durch das nächtliche Camden mit einem der futuristischen Fahrzeuge cruisen: "Watch Dogs: Legion" entwirft eine wunderschöne und glaubhafte Spielwelt, die auch deutlich düsterer und ernster ausfällt als das "Sunny California"-Szenario im zweiten Teil.
Das spiegelt sich natürlich auch in der Story wieder, die neben allen typischen "Watch Dogs“-Schabernack und Überzeichnungen auch verdammt ernst Themen wie Organhandel, Minderheitenhetze, staatliche Gewalt und Überwachung in den Fokus stellt. Die Protagonisten der Erzählung sind zwar etwas schablonenhaft gewählt und es bleibt abzuwarten, ob Ubisoft beim finalen Spiel auch etwas mehr erzählerische Tiefe auffährt, doch zumindest ist die grundlegende Atmosphäre schon einmal sehr eindringlich. Was wir allerdings schon deutlich besser einschätzen können, ist das Missionsdesign. Das orientiert sich tatsächlich relativ stark am Vorgänger, doch bedient sich natürlich auch der Möglichkeit jeden Spezialisten einzusetzen, den ihr für Dedsec rekrutiert habt. Als alter Gadget-Fan habe ich mich natürlich wieder gefreut, dass nicht nur der Spider-Bot wieder zur Verfügung steht, sondern als perfektes Stealth-Gadget auch kurzerhand allerlei Hacks und Missionsziele für mich erledigt. Ob ihr stattdessen lieber mit voller Waffengewalt alle Albion-Streitkräfte umlegt oder euch per fernsteuerbarer Drohne kurzerhand ein "Luft"-Taxi organisiert ist ganz euch überlassen. Ein Schwachpunkt in den Missionen war aber teilweise die mäßige KI, deren Verhalten gerade bei Action-Passagen nicht immer sehr logisch rüberkamen.
Bei so viel spielerischer Freiheit macht es auch Sinn, dass die vermeintlichen RPG-Elemente eher etwas kurz kommen: Statt Erfahrungspunkte oder Sonstiges sammelt ihr bei "Watch Dogs: Legion" wieder fleißig Tech Points, mit denen ihr bspw. Spezialfähigkeiten bei Drohnen freischalten können oder euch bspw. kurzerhand per „Stealth“-Suit unsichtbar macht. Die Fähigkeiten kommen natürlich zu jenen dazu, die bei euren Widerstandskämpfern sowieso schon vorhanden sind. Dass der Profiboxer plötzlich zum Drohnen-Experten weg, ist bei „Watch Dogs: Legion“ deshalb gar nicht so abwegig. Apropos Boxen: Natürlich haben wir bei unserer Anspielsession natürlich auch Ausschau gehalten, was sich in der Londoner Open World noch so alles tun lässt. Neben der obligatorischen Dart-Session im Pub, nach der ihr euch natürlich auch gekonnt volllaufen lassen könnt, finden sich in "Watch Dogs: Legion" bspw. auch Underground-Kampfturniere, bei denen wir mit unserem nerdigen Ex-Albion-Rekruter angetreten sind. Und der hat nicht nur Gehirnschmalz, sondern auch richtig viel Power in seinem Kick. Trotz aller Endzeitstimmung kommt der Spaßfaktor bei "Watch Dogs 3" also definitiv nicht zu kurz.
"Watch Dogs: Legion“ Preview: Unser Fazit der Hands-On-Session
Schon in wenigen Wochen erscheint "Watch Dogs: Legion" kurz bevor die neue Konsolengeneration eingeläutet wird: Doch tatsächlich könnte Ubisoft mit dem dritten Teil der Hacker-Reihe ein richtiges Spiele-Highlight für die aktuelle und kommende Konsolengeneration abliefern. Denn selten fühlte sich die Mischung aus der wunderbar glaubhaften Open-World mit ihrem unglaublichen Detailreichtum passender an, als in dieser Endzeit-Fantasie, die mit ihrem mutigen Play-As-Anyone-Prinzip ganz neue Wege bestreitet. Wir hatten jedenfalls verdammt viel Spaß wieder fleißig Autos und Drohnen zu hacken, uns mit dem Spider-Bot auszutoben und durch die wunderschöne Kulisse der britischen Hauptstadt zu düsen. Inwieweit auch die Story des Spiels überzeugen kann, bleibt bis zum finalen Release noch abzuwarten. Aktuell hinterlässt "Watch Dogs: Legion" aber schon einmal einen hervorragenden Gesamteindruck.
Watch Dogs: Legion erscheint am 29. Oktober 2020 für PC, Stadia, Xbox One und PS4. Die Xbox Series X | S-Fassung steht genauso zum Konsolen-Launch am 10. November zur Verfügung wie auch die PlayStation 5-Fassung am 19. November. Käufer der PS4- bzw. Xbox One-Fassungen erhalten die Next-Gen-Upgrades kostenlos.
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