Von "Harry Potter" bis "The King’s Speech": Eigentlich hat Helena Bonham Carter in ihrer illustren Karriere schon alles gespielt. Warum ihr Prinzessin Margaret in "The Crown" besonders am Herzen lag und welche geheimen Seiten sie von ihr erfuhr, verriet sie uns im TV Movie Online-Interview!
TV Movie Online: Sie haben Prinzessin Margaret tatsächlich auch persönlich getroffen. Was war Ihr Eindruck von ihr?
Helena Bonham Carter: Ich habe Margaret das erste Mal getroffen, als ich ein Teenager war. Mein Onkel war gut mit ihr befreundet. Und er hat immer wieder Partys veranstaltet, auf denen Prinzessin Margaret zugegen war. Sie war mir also eine Zeitlang vertraut, einfach nur, weil sie oft anwesend war. Über die Jahre haben wir uns besser kennengelernt - vor allem, als ich mit der Schauspielerei begonnen habe.
Ich erinnere mich noch, als ich sie zu einer Jubiläumsfeier vom Windsor Castle in meinen 30ern getroffen habe. Es war ein offizieller Empfang für Leute aus der Kunstszene. Und ich sah, wie sie da ganz alleine in diesem großen Raum stand – sie kam mir in diesem Moment sehr einsam vor. Gleichzeitig ist das aber wohl auch ein Nebeneffekt des Promi-Seins: Wenn man so bekannt ist und dann alleine in einem gigantischen Raum steht, wirkt man zwangsläufig so, als wäre man einsam. Und sie war wirklich winzig! Sie haben sie scherzhaft das "Taschen-Kampfschiff" genannt, weil sie sehr klein war, sich gleichzeitig aber nie klein gemacht hat.
Trotzdem war es eine etwas merkwürdige Atmosphäre an diesem Abend. Im Gespräch unter vier Augen hat sie mir dann gesagt: "Du wirst tatsächlich langsam besser als Schauspielerin, oder?" Diese Aussage war ganz typisch für sie. Sie hat einen in einem Moment gelobt und kurz darauf plötzlich wieder brutal auf den Boden geholt. Diese Ambivalenz hat sie ausgemacht.
Wie hat sich das bei ihr noch geäußert?
Ich habe mit vielen ihrer Freunde gesprochen, die alle etwas Ähnliches berichtet haben. Sie hat einem oft Komplimente gemacht oder eine gewisse Form von Intimität angeboten, war gleichzeitig aber auch immer unnahbar. Diese Dualität hat sie ausgemacht. Man konnte sie oft mit einer Eigenschaft beschreiben - gleichzeitig aber auch mit dem kompletten Gegenteil. Als ich unseren Showrunner Peter Morgan das erste Mal getroffen habe, war es mir natürlich wichtig zu wissen, was er mit ihrer Rolle anfangen wollte. Ich kannte sie ja bereits. Er sagte mir dann: "Das Spannende an Prinzessin Margaret ist, dass man sie auf zehn verschiedene Arten spielen könnte. Und alle hätten ihre Daseinsberechtigung." Damit konnte ich mich komplett anfreunden. Denn so war sie einfach.
Hatten Sie persönlich auch eine gewisse Ehrfurcht vor dieser ikonischen Rolle, weil Sie Margaret persönlich kannten?
Wenn man eine Figur spielt, hilft es immer sie zu kennen, um ihre Ausstrahlung fassen zu können. Viele Darstellerinnen vor mir hatten sie ja auch schon gespielt. Und auch wir bauen ja auf den Darstellungen, für die unsere Vorgänger zurecht gefeiert wurden. Und das war vielleicht das Beängstigende: Die Serie war schon vor uns ein großer Erfolg. Wir kommen jetzt vorbei und versauen das alles. Aber wir haben einen entscheidenden Vorteil: das Alter (lacht).
Welche Seite an Prinzessin Margaret haben sie vor dem Dreh oder bei den Dreharbeiten schätzen gelernt?
Beim Gespräch mit ihren engsten Freunden ist mir sofort aufgefallen, wie wichtig es allen war über die Seiten von Prinzessin Margaret zu reden, die niemand so wirklich kannte. Alle waren sehr offen, ehrlich und haben fast nur von ihr geschwärmt – das hat mich persönlich sehr berührt. Für viele Menschen war Margaret ein echtes Hassobjekt – ihre Freunde haben aber ein viel positiveres Bild von ihr gezeichnet. Sie hat selbst einmal gesagt: "Eine Schwester ist die Gute. Also muss ich die Böse sein."
Sie war sehr witzig und clever. Als ich mit ihrem Friseur gesprochen habe, der seltsamerweise Haare von ihr aufgehoben hat, hat er sich folgendermaßen an sie erinnert: "Sie hat hier meistens entspannt gesessen, Scherze gemacht und nebenbei das Kreuzworträtsel der Times in elf Minuten gelöst." Die Aussage beschreibt ihr brillantes Wesen ziemlich gut.
Und dann war sie auch noch sehr großzügig, vorurteilsfrei und empathisch, wenn es um Kinder ging. Und sie war spontan – etwas, das als Royal eigentlich überhaupt nicht gern gesehen wird. Als Frau ist deine einzige Aufgabe in diesen Kreisen gesehen zu werden.
Ist sie in dieser Rolle nicht auch etwas aufgegangen?
In ihren jungen Jahren sicherlich. Irgendwann hat sie sich aber unglaublich gelangweilt. Ehrlicherweise würde ich das auch, wenn ich an die Aufgaben denke, die sie tagtäglich zu tun hatte. Dieses belanglose Händeschütteln – ich schaffe ja nicht mal ein Abendessen im Monat, um Kontakte zu pflegen (lacht).
Haben Sie trotzdem das Gefühl, dass Sie im Gegensatz zu Elisabeth ihr eigenes Leben bestimmen konnte?
Ganz im Gegenteil. Sie hat sich dagegen entschieden, als sie auf die Ehe mit Peter Townsend verzichtet hat. Sie hat sich auf die Seite ihrer Schwester und der Kirche gestellt. Das ist übrigens auch ein Aspekt, der oft vergessen wird: Margaret war sehr gläubig.
In Staffel 3 von "The Crown" wird dieser Verzicht erneut thematisiert...
Sie hat in dieser Zeit immer noch mit dem Tod ihres Vaters zu kämpfen. Und natürlich auch damit, dass ihre Ehe in die Brüche gegangen ist. Und durch den frühen Tod ihres Vaters hat sie gleichzeitig auch ihre beste Freundin verloren – ihre Schwester. Sie waren in jungen Jahren im Windsor Castle ganz allein auf sich gestellt. Tatsächlich gibt es mit dem Ende von Staffel 3 auch eine Art Annäherung zwischen den beiden Schwestern. Sie wollte von ihrer Schwester über all die Jahre einfach nur hören, dass sie neben der Krone auch immer noch eine wichtige Rolle spielt.
Stimmt es eigentlich, dass sie vor dem Dreh zu "The Crown" ein Medium besucht und die "echte" Margarete um Erlaubnis gefragt haben?
Meine Mutter, die wirklich sehr locker drauf ist, hat mich vor kurzem am Telefon scherzhaft gefragt: "Sag mal, was hast du da eigentlich erzählt? Die Leute fragen mich schon, ob wir mit toten Menschen reden!“ Und das Medium wird sich vor Aufträgen vermutlich bald nicht mehr retten können (lacht). Aber Spaß beiseite: Ich habe eine Freundin konsultiert, die u.a. als Medium arbeitet. Ich weiß auch nicht, was es genau ist, aber ich bin fasziniert von Menschen, die diese Gabe haben. Eigentlich hatte ich sie aus einem ganz anderen Grund besucht, aber plötzlich sagte sie dann: "Prinzessin Margaret ist hier im Raum. Hat das etwas zu bedeuten?" Und ich hatte damals die Rolle noch gar nicht zugesagt. Und mir ist dann direkt eingefallen, dass ich Margaret um Erlaubnis fragen könnte. Und sie hat mir ganz Margaret-like geantwortet: "Zumindest bist du besser als die andere Kandidatin."
Haben Sie mittlerweile erfahren, wer das gewesen sein soll?
Nein. Ich glaube, dass Margaret mich einfach nur necken wollte (lacht).
Was halten Sie eigentlich persönlich von der Queen?
Ich finde sie außergewöhnlich. Sie ist mittlerweile so ein unglaubliches Symbol bzw. eine Ikone geworden, dass man komplett vergisst, dass sie auch ein Mensch ist. "The Crown" hilft deshalb sicher dabei sie wieder menschlicher zu machen. Das Schlimme ist jedoch: Sie wird nicht auf ewig da sein, auch wenn wir das derzeit als selbstverständlich annehmen. Wenn sie nicht mehr da sein sollte, werden wir als Land einen massiven Schock erleben. Dabei sind wir jetzt schon in einem schockierenden Zustand (lacht). Sie gibt uns eine Identität. Und die brauchen wir aktuell mehr denn je.
"The Crown - Staffel 3" ist seit dem 17. November 2019 bei Netflix abrufbar. Einen Trailer zur dritten Staffel der herausragenden Serie seht ihr hier: