Auf dieses Spiel warten Horrorfans seit Jahrzehnten: "Silent Hill 2" ist endlich wieder da! Ob das heißerwartete Remake von Bloober Team überzeugt, lest ihr in unserem Test!
Genau wie für viele Genrefans ist das alte "Silent Hill 2" auch für mich das wahrscheinlich beste Horrorgame aller Zeiten. Und eigentlich sogar eines meiner Lieblingsspiele generell. Somit war ich extrem gespannt darauf, was der polnische Entwickler Bloober Team so mit dem Original anstellt - und natürlich ebenso skeptisch. Meine Aufregung und Ungeduld derweil war ähnlich groß - weshalb ich nicht schlecht staunte, als Konamis PR-Agentur uns ganze drei Wochen vor Release mit dem Review-Key zum Remake versorgt.
Das ist höchst ungewöhnlich und in der Regel ein sehr gutes Zeichen. Denn allzu oft hauen Spielemacher die Pressemuster erst ganz knapp vor dem Erscheinen raus, um grobe Schnitzer in letzter Minute, zum Start via Day-One-Patch oder sogar erst nach dem Release auszubügeln.
Somit habe ich mit richtig zittrigen Händen meinen PlayStation-5-Controller in die Hand genommen - denn schließlich ging es ums Ganze: Wird das Remake von "Silent Hill 2" dem kultisch verehrten Original gerecht? Und voller Freude darf ich verkünden:
Ja!
gelungenes Remake
größtenteils tolle Technik
mehr Fokus auf Horror
schöne Remixes alter Musikstücke
gelungene Rätselvariationen
längere Spielzeit
gute neue Sprecher*innen
fordernde Kämpfe
Grafik in den Außenarealen teils altbacken
manche Charaktermodelle eigenartig
schwerer Einstieg durch wenig Ressourcen
Kämpfe auf engem Raum unfair und hakelig
Silent Hill 2 im Test: Wohliges Schauern bereits zum Start
Warum ich so überzeugt bin? Weil Bloober Team bereits ganz zu Anfang klar machen, dass sie das Original verinnerlicht haben, in Ehren halten und im Kern immer nah dran bleiben. Wenn ihr das Gesicht von James Sunderland das erste Mal selbst im Spiegel seht und nach dem Verlassen der Rastplatztoilette dem kultigen Eröffnungsmonolog lauscht, sind wohlige Schauer garantiert. Das liegt aber nicht nur an der vor allem anfangs sehr werkgetreuen Umsetzung, sondern auch an den Abweichungen eben davon. Doch vorerst eine kleine ...
Spoiler-Warnung: Nein, natürlich verraten wir Silent-Hill-Neulingen nichts zu irgendwelchen wichtigen Punkten der Story. Und Veteranen nichts zu etwaigen Neuerungen in diesem Bereich. Spoiler haben jedoch für jede*n eine andere Bedeutung, die nicht zwangsläufig etwas mit der Geschichte zu tun haben muss. Vielleicht reagierst du ja etwa bereits allergisch auf die bloße Erwähnung einer überraschenden Anspielung auf das Original. Oder du möchtest rein garnichts zu späteren Abschnitten im Spiel erfahren. Ist das der Fall, solltest du hier aufhören zu lesen und dich mit dem Pros und Cons direkt hier drüber zufriedengeben.
Schon als James am Spielanfang an der Mauer lehnt und der ikonische Score startet, könnt iht aufatmen: Akira Yamaokas Neuinterpreationen der alten Songs zum Beispiel sind äußerst gelungen und trotz mehr Streichern oder Pianoklängen überhaupt nicht over the top oder gar schmalzig. Auch die neuen Synchronsprecher machen ihre Sache in der Regel gut. Vor allem James redet nicht mehr so tonlos herum, sondern zeigt viel mehr Charakter und Emotionen.
Doch weil auch Neulinge unter euch sind: Worum geht's hier eigentlich? An der Grundgeschichte von "Silent Hill 2" hat sich auch im Remake nichts geändert: James Sunderland erhält einen Brief von seiner Frau aus der titelgebenden Stadt. In der hat das Paar in der Vergangenheit viele glückliche Stunden verbracht. Das Problem: Mary ist schon lange an einer schweren Krankheit verstorben! So macht sich der Witwer auf den Weg nach Silent Hill, um den Dingen auf den Grund zu gehen.
Starke Änderungen bei den Figuren
Dem Intro folgend treffen wir nach einem kleinen Fußmarsch durch den nebligen Wald wie früher Angela auf dem Friedhof. Die junge Frau sucht in der Stadt ebenfalls nach ihrer verschwundenen Familie. Speziell diese Figur stand im Vorfeld wegen ihres Aussehens in der Kritik, Bloober habe im Kontext der Woke-Kultur ihr Gesicht unnötig aufgequollen gestaltet. Uns stört das überhaupt nicht, dafür eine andere Sache etwas:
Angela kommt viel jünger rüber und wirkt zudem nicht wie eine schwer traumatisierte junge Frau, sondern eher ein verängstigter Teen. So zeigt die Figur, wohin die Reise auch für den Rest des Spieles hingehen wird: Die Entwickler ziehen vor allem bei den Charakteren oft ihr eigenes Ding durch, was sicher so manchem Fan sauer aufstoßen wird. Die Dialoge jedoch sind sehr gut geschrieben und vertont. Ihr müsst euch schlicht damit abfinden, dass euch 2024 ein irgendwie authentisches, in vielen Belangen aber gleichzeitig auch ganz neues Silent Hill erwartet.
Mehr zu entdecken als je zuvor
In Silent Hill angekommen, werden wir mit einer weiteren spürbaren Neuerung konfrontiert: In der Stadt gibt es ein deutlich mehr Gebäude und Örtlichkeiten zu betreten, was sehr zur Exploration ermuntert. Die Belohnung sind in der Regel Notizen und Tagebücher der ehemaligen Bewohner, welche die Geschichte des vormaligen PlayStation-2-Spiels sinnvoll ergänzen. Das ist schön und erweitert die Lore des Spiels behutsam und natürlich.
Noch wichtiger bei der Suche aber sind natürlich die Ressourcen: In Schubladen und Schränken findet James Heil-Items wie die neuen, extra starken Injektionen (Verbandskästen sind passé), ebenso wandert auf diese Weise Munition in eurer glücklicherweise unendliches Inventar. Ihr findet aber mitnichten wie früher gleich einen ganzen Batzen, sondern nur vereinzelte Patronen.
Sehr cool übrigens: Mit dem Nagelbrett bearbeitet ihr draußen auch die Fenster geparkter oder verlassener Autos, denn darin findet ihr ebenfalls manchmal Munition. Wer wie anno 2001 aber an jeder Straßenecke nach Hilfsmitteln sucht, wird 2024 nicht fündig werden.
Bei all der Exploration müsst ihr aber wissen: Von einem Semi-Open-World-Spiel wie "Silent Hill Downpour" ist "Silent Hill 2" meilenweit entfernt. Es gibt nur eine Handvoll betretbare Locations und auch keine wirklichen Sidequests. Dafür sticht so manche ganz neue Location hinaus: Zwischen den Gebieten Woodside/Blue Creek Apartments und dem Alchemilla Krankenhaus geht es zum Beispiel auch ins Kino, in dessen schaurigen Hallen ihr nach der entlaufenen Laura sucht. Außerdem trefft ihr eine ganz andere Figur überraschend dort.
Mehr Survival Horror durch anspruchsvolle Kämpfe
Natürlich könnt ihr aber auch einfach nur der Story folgen und im Zuge eines mehrstufigen Pflichtpuzzles direkt in Neely's Bar pilgern. Doch dann entgehen euch hilfreiche Items - und die braucht ihr eigentlich händeringend. Denn: Bereits im voreingestellten Schwierigkeitsgrad "Standard" ist das Remake schwerer als das Original und viel mehr Survival Horror. Nicht nur findet ihr vor allem anfangs spürbar weniger Ressourcen - die Kämpfe sind auch heftiger: Zwar funktioniert das im Vorfeld skeptisch betrachtete Kampfsystem im Kern gut, doch die erneut von Masahiro Ito gestalteten Monster haben viel mehr drauf als früher.
So bespuckt euch die optisch eigentlich nah am Original gehaltene Lying Figure von weit her mit ätzener Säure, eine spätere Variante explodiert gar in einem ätzenden Knall. Die ikonischen Mannequins hingegen sind schnell, weichen selbst aus oder springen euch ins Gesicht, sodass ihr euch via Button-Mashing befreien müsst. Außerdem verstecken sich die Biester gerne zwischendurch und überraschen euch an einer anderen Stelle mit einem Jumpscare.
Wer übrigens Quicktime-Orgien befürchtet hat, kann aufatmen. So etwas gibt es im Remake zum Glück nicht. Trotzdem müsst ihr ständig auf der Hut sein und in den Konfrontationen behutsame Schüsse ansetzen, nie mehr als zwei Mal am Stück zuschlagen und generell viel ausweichen - sonst kommt ihr nicht weit. Was sich nicht geändert hat: Auf dem Boden immer schön nachtreten! Die Fights können übrigens in puncto Agilität und Präzision trotz ähnlicher Perspektive nicht mit "Resident Evil 4" oder anderen Genrekollegen mithalten. Aber dadurch geht ihr umso vorsichtiger vor und ballert nicht unvorsichtig durch die Gegend.
Mehr Immersion durch individuelle Anpassungen - bis auf eine!
Richtig gut: Abseits vom Schwierigkeitsgrad (drei unterschiedliche Stufen bei Kampf und Puzzles) könnt ihr auch so gut wie jede Bildschirmanzeige und jeden Button Prompt anpassen oder ganz deaktivieren, wenn das eure Immersion stört. Ich zum Beispiel habe das Interaktionssymbol zum Springen über Hindernisse deaktiviert und den Ziel-Cursor zum mittelgroßen Punkt gemacht.
Wir empfehlen euch dringend, die irritierende Lebensanzeige (siehe Bild unten) unter "Einstellungen - Gameplay" ganz abzuschalten. Ansonsten werdet ihr nach ein bis zwei eingesteckten Treffern mit einem immer größer werdenden, rot wabernden Effekt um den kompletten Bildschirm konfrontiert. Zusätzlich werden die Spielesounds mit einem eigenartigen Echoeffekt versehen. Die penetrante Bildschirmanzeige reißt unserer Meinung nach nur unnötig raus und stört auch im Kampf - ihr erkennt ohnehin an James' Haltung, ob er verletzt ist. Dann humpelt oder strauchelt unser Held nämlich in einer nicht ganz so gelungenen Animation herum.
Alt und doch ganz neu
Doch ob ihr es glaubt oder nicht: Hier hören meine Kritikpunkte am Remake quasi schon auf. Denn sobald ich nach etwa drei (!) Spielstunden das erste große Innenlevel erreicht habe - die verlassenen Wood Side Apartments - hatte mich das Remake von "Silent Hill 2" gänzlich gefangen und komplett an der Angel: Wie auch schon beim Spieleinstieg hangelt sich "Silent Hill 2" hier am Original entlang, nimmt aber so viele Änderungen vor, dass auch Veteranen ein komplett neues Spiel erleben: Die Räume sind gänzlich neu angeordnet, wichtige Items und die Puzzles an anderen Orten und es gibt außer dem berüchtigten Swimmping Pool noch einen weiteren Innenhof.
Die Rätsel selbst haben auf dem "normalen" Schwierigkeitsgrad derweil genau die richtige Balance: Probleme hatte ich selten, aber ganz schnell bin ich auch nicht immer auf die korrekte Lösung gekommen. Außerdem sind die Knobler insgesamt komplexer. Erneut müsst ihr etwa in den Wood Side Apartments die drei Medaillen finden - doch das Einsetzen (an einem komplett anderen Ort als vormals) ist nicht ganz so offensichtlich. Seid gespannt! Übrigens: Wichtige Orte und Rätsel markiert James rot auf der super hilfreichen Karte und hakt sie sogar ab, wenn ihr erfolgreich wart.
Zudem explodiert das Remake vor Zitaten, indem die Entwickler sich vor Konamis Meisterwerk verbeugen und ikonische Szenen abgewandelt zeigen. So findet ihr zum Beispiel wie damals eine omionöse im Sessel sitzende Leiche vor dem Fernseher. Für die hat Konami einst dasselbe Charaktermodell wie das von James Sunderland verwendet und somit unterbewussten Grusel erzeugt. Jetzt hat der Unglückliche einen Sack über den Kopf - doch aufmerksame Zocker*innen finden andere Parallelen.
Die Szenenvarianten sind übers ganze Spiel verteilt und auch diese Designentscheidung wird sicher die Fangemeinde spalten. Aber: Habt ihr nicht eigentlich auch Lust, häufiger überrascht zu werden? Mich hat das Game als absoluten Silent Hill-Nerd nämlich regelmäßig überrumpelt und sogar heftig erschreckt, weil ich an bestimmten Stellen etwas anderes erwartet habe.
Gruseliger als das Original
Wo wir gerade beim Thema sind: "Silent Hill 2" ist gruseliger als das Original oder besser: anders gruselig. Während das Spiel von Team Silent primär Beklemmung, Isolation und ein generelles Gefühl von Unbehagen erzeugt, geht Bloober Team klassischer an den Horror heran. Die Umgebungen sind cleaner und nicht ganz so dreckig, aber dafür visuell interessanter. Die Parallelwelt vom fast komplett umgekrempelten Blue Creek Apartment ist im einen Moment tücherverhangen wie andere Games von Bloober Team, im nächsten Moment aber wieder ekelig und rostig wie früher.
Bestimmte Risse in den Wänden kann James mit Nagelbrett oder Bleirohr neuerdings einreißen und euch paranoid hindurchzwängen. Denn die (jetzt übrigens zahlreicheren) Kreaturen lauern hinter jeder Ecke und warten nur darauf, euch zu überrumpeln. Sowieso geht euch wegen den stärkeren und schlaueren Gegnern regelmäßig die Pumpe, während diese früher in puncto Gameplay eher eine Beschäftigungsmaßnahme als echte Herausforderung darstellten. Ansonsten inszenieren die Macher den Grusel bewusster und pointierter, während der abgewandelte Yamaoka-Score häufiger aus betörend düsteren Melodien und pluckernden Sounds statt Industrial-Gehämmer besteht.
Ganz neue Szenen bringen unangenehme Abwechslung: Etwa, wenn plötzlich auf den Straßen von Silent Hill ein Sturm aufzieht und ihr zusammen mit Maria durch verzweigte Hinterhöfe strauchelt und dabei wie einst in "Resident Evil 2" mehr schlecht als recht um den Feind navigiert. Oder wenn ihr nach einem Sprung durchs Fenster des Brookhaven-Krankenhaus im stockfinsteren Garten landet, während es in Strömen regnet und unter den Lauben das Böse lauert.
Auch wenn sicher nicht jeder Schreck sitzt, ziehen Bloober Team alle Register und tun vor allem eines: Neue und alte Fans immer wieder überraschen. Ganz wichtig: Spielt "Silent Hill 2" unbedingt mit Kopfhörer und am Abend. Nur so kann das gut abgemischte und atmosphärische Spiel (wie so viele Horror-Games) seine volle Wirkung entfalten.
Schicke Grafik mit kleinen Fehlern
Viel gemeckert wurde im Vorfeld auch über die Technik - aber auch diesen Kritikpunkt können wir nicht nachvollziehen. Klar: Vor allem bestimmte Außenareale von "Silent Hill 2" sind durchaus mal detail- und farbarm. Oder die Frisur einer Figur flimmert in einer Zwischensequenz, während Marias Kopf einen Tick zu groß erscheint. Auch die Animation der verletzten Hauptfigur sieht etwas eigenartig aus. Abseits dieser kleinen Abstriche finden wir die Optik jedoch einfach wunderbar:
Gerümpel und verstreute Unterlagen leuchten im Sonnenlicht des anfänglichen Krankenhauses. Im Keller brodelt eine bis zum Rand mit einer widerlichen Flüssigkeit gefüllte Badewanne dampfend vor sich hin. Überdimensionale Laken umhüllen ganze Häuser der verlassenen Stadt. Und der verlassene Heaven's Night Strip Club betört im bunten Neonlicht wie Maria James Sunderland.
Fazit zu Silent Hill 2
Nie hätte ich es gedacht, aber: Bloober Team macht mit dem Remake zu "Silent Hill 2" so ziemlich alles richtig. Ihre Interpretation von Team Silents PlayStation-2-Klassiker ist immer noch nah dran, macht aber genügend anders, um alte wie neue Fans gleichermaßen abzuholen. Mehr noch: Der Mut, sich zwischendurch immer wieder vom Original zu lösen, mündet durch die vielen Überraschungen in einem ernsthaft gruseligen Spiel. Die zahlreichen Anspielungen sind außerdem eine wahre Freude und beweisen, dass der polnische Entwickler seine Quelle wirklich verstanden hat. Lasst ihr euch darauf ein, erwartet euch ein verdammt gutes, wenn auch anderes Horrorspiel und defnitiv das beste "Silent Hill" seit den alten Teilen.
Tipp: Soundtrack des Spiels bestellen
Wir finden den neuen Soundtrack des Spiels äußerst gelungen und können ihn auch abseits des Daddelns empfehlen. Hast du kein Spotify, kannst du die Musik auch in physischer Form bestellen - etwa als stilechte Vinyl.