In „MJ“ verschmilzt Musicalstar Benét Monteiro getragen von einem hervorragendem Ensemble mit dem Nachlass des King of Pop.
Ist es überhaupt möglich, Musik losgelöst vom Künstler, der sie erschaffen hat, zu betrachten – beziehungsweise zu hören und zu bewerten?
In „MJ - Das Michael Jackson Musical” ist es jene Frage, die eine Reporterin des Musiksenders MTV sich, dem King of Pop sowie dem Publikum, aber irgendwie auch dem Stück selbst gleich zu Beginn stellt. Und dieses scheint sie mit einem klaren „Nein!“ zu beantworten. Das hat im Fall Jacksons sicherlich Aussagekraft, in „MJ“ trotzdem nur bedingt.
Denn das Musical beamt nach New York und London nun auch das Hamburger Publikum in die Endphase der Proben zu Jacksons legendärer „Dangerous World Tour“ im Sommer 1992, rund 1,5 Jahre bevor diese wegen der Anschuldigung des Kindesmissbrauchs gegen Jackson verfrüht endete. Lediglich einmal greift das mit vier Tony Awards ausgezeichnete Stück - das Buch stammt von der zweifachen Pulitzer-Preis-Trägerin Lynn Nottage - die größte Kontroverse um den Sänger dezent auf: In einer Szene will sein Manager wissen, warum Jackson wieder eine Familie mit auf Tour nehme.
Michael Jacksons Hits sprechen für sich selbst
Die Antwort bleibt „MJ“ dem Publikum schuldig. Dafür setzt es den beeindruckenden Musikkatalog des King of Pop auf die naheliegendste Weise in Szene: Es lässt die Hits für Jackson sprechen. Eine Herangehensweise, die dem Wesen des als introvertiert und medienscheu in Erinnerung gebliebenen Künstlers sicherlich entsprochen hätte.
In Probenszenen und Rückblenden zeichnet „MJ“ Leben und Werdegang Jacksons nach - von der Teilnahme an Talentshows über die frühen Erfolge als Leadsänger der „Jackson Five“ bei Motown bis zu den Höhepunkten seiner beeindruckenden Solokarriere. Obwohl der Auftakt der „Dangerous“-Tour in München diese Reise im Stück beendet, werden auch spätere Erfolge wie „They Don’t Care About Us“, „Earth Song“ oder „Stranger in Moscow“ nicht ausgelassen.
Ja, das Ganze strotzt nur so von Hits, die bis heute jeder mitsingen kann. „Thriller“, „Billie Jean“, „Smooth Criminal“, „Bad“, „Beat it“, „Wanna Be Startin’ Something”, „Man In the Mirror” – zu keinem Zeitpunkt bleibt „MJ“ hinter der Erwartungshaltung der Fans zurück.
Benét Monteiro begeistert als King of Pop
Gleiches gilt für Benét Monteiro, der nach den Titelhelden „Hamilton“ und „Hercules“ als Michael Jackson bereits die dritte Hauptrolle für Stage Entertainment in Hamburg spielt. Monteiro lässt die Musiklegende auf der Bühne zwischen naivem Größenwahn, künstlerischer Perfektion und den Traumata seiner Kindheit eine der größten Musikerkarrieren überhaupt im Schnelldurchlauf entfalten. Das sieht dank ikonischer Tanzmoves genauso fantastisch aus, wie es klingt.
DSDS-Sieger Prince Damien ergänzt Ensemble
Zwischenzeitlich scheint der Hauptdarsteller sogar optisch und stimmlich mit dem King of Pop zu verschmelzen. Eine grandiose Leistung, die durch tolles Bühnen- und Sounddesign, ein zwölfköpfiges Orchester und ikonische Choreographien in Anlehnung an die Musikvideos sowie Bühnenshows Jacksons immer wieder Brillanz versprüht. Monteiro und dem Tanzensemble zuzusehen, ist pure Freude. Prince Damien, der 2016 die 16. Staffel „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) gewann, vermag als jüngerer Jackson mit seiner Klangfarbe ebenfalls makellos zu glänzen.
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Jacksons Nachlass mitreißend inszeniert
„MJ – Das Michael Jackson Musical” erzählt Michael Jacksons Geschichte in zwei Akten und mehr als 25 Songs auf mitreißende Weise. Und, um auf die Anfangsfrage zurückzukommen, eignet sich dank seiner unvergessenen Musik selbst für Zuschauer, die mit ihrem Komponisten per se wenig anfangen können.
Grund dafür ist, dass das Stück inhaltlich lediglich an der Oberfläche des Künstlers kratzt, wobei der teils fehlende Tiefgang trotz teils sehr langer Sprechparts ein kleiner Kritikpunkt sein könnte. Doch dieser ließe sich mit Michael Jackson selbst rechtfertigen. Der King of Pop betonte zu Lebzeiten immer wieder, dass sich seine Musik besser durch sich selbst erklären könne, als er es mittels Worten vermöge. Seine Lieder hätten bereits alles ausgedrückt. So be it.
Maryanto Fischer