"Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" startet am 28. April 2022 in den deutschen Kinos. Hauptdarstellerin Meltem Kaptan sprach mit TVMovie.de über ihre Rolle und wie ein Film über Guantanamo auch lustig sein kann. Von Robert Gruhne
Murat Kurnaz saß fast fünf Jahre unschuldig im US-Gefängnis Guantanamo - unter Folter, ohne Anklage, ohne Prozess. Er hat furchtbare Dinge erlebt, doch auch in seiner Heimat Bremen musste seine Familie Jahre der Ungewissheit durchleben. Was mussten seine Eltern und Geschwister während dieser Zeit durchmachen? Davon erzählt der neue preisgekrönte Film von Regisseur Andreas Dresen, der am 28. April 2022 ins Kino kommt.
"Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush": Berlinale-Gewinner
Der Spielfilm "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" wurde mit zwei Silberne Bären auf der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet. Einer ging an Laila Stieler für ihr Drehbuch und der andere an Schauspielerin Meltem Kaptan. Die Darstellerin spielt die Hauptrolle - Murats Mutter Rabiye Kurnaz. Die 41-Jährige war bisher vor allem als Komikerin und Moderatorin bekannt, etwa bei "Ladies Night" oder "Genial daneben". Als "Rabiye Kurnaz" gibt sie nun ihr deutsches Kinodebüt.
Im Film kämpft Rabiye Kurnaz unermüdlich für die Freilassung ihres Sohnes. Gemeinsam mit dem Anwalt Bernhard Docke, gespielt von Alexander Scheer, zieht sie bis vor das Oberste Gericht der USA. Im Interview mit TVMovie.de sprach Meltem Kaptan über die Dreharbeiten, den Erfolg des Filmes und die mütterliche Urkraft.
Interview mit Meltem Kaptan als Rabiye Kurnaz
TVMovie.de: Der Film war Ihr deutsches Kinofilmdebüt und Sie haben gleich den Silbernen Bär auf der Berlinale gewonnen. Was war das für ein Gefühl?
Meltem Kaptan: Das war für mich kaum fassbar. Als wir die Einladung zur Berlinale bekommen haben, war ich schon sehr glücklich. Rabiye Kurnaz und Bernhard Docke waren auch anwesend. Es war für mich wichtig, dass sie mit dem Film einverstanden sind. Rabiye Kurnaz hat danach zu mir gesagt: "Es hat sich angefühlt, als hätte ich in diesem Film die Hauptrolle gespielt." Auch ihre Söhne waren da und meinten: "Wir haben unsere Mama gesehen." Das war ergreifend für mich. Und als dann der Bär dazu kam, da schwebte ich auf Wolke Sieben.
Wie haben Sie sich der Rolle genähert?
Es gab kleine Videos, wie Rabiye Kurnaz bei Beckmann in der Talkshow saß oder wie sie in Amerika in der Presse gesprochen hat. So habe ich versucht zu begreifen, wie sie spricht. Als ich sie dann persönlich getroffen habe, habe ich sie genauer kennengelernt und sofort gemerkt, was für eine unfassbar positive Frau sie ist und was für einen Witz sie hat. Sie kann einen in einer Sekunde gleichermaßen zum Lachen und zum Weinen bringen. Ich habe mit ihr in ihrem Wagen noch eine Spritztour gemacht und den ganzen Tag mit ihr verbracht. Dabei habe ich versucht mir zu merken, wie diese Frau lebt und auch wie sie Auto fährt. Ich selbst bin fast 15 Jahre kein Auto gefahren und musste dann für den Film durch die Stadt brettern!
Dann ist Rabiye Kurnaz wirklich so lustig, wie Sie sie dargestellt haben, obwohl die Situation ihres Sohnes so ernst ist?
Das hat mich auch beschäftigt. Wie schafft es diese Frau, ihren Alltag zu meistern und für ihre anderen Kinder da zu sein, obwohl sie weiß, dass gerade parallel eines ihrer Kinder gefoltert wird? Was ist diese Kraft? Das war auch, was mich so daran gereizt hat, diese Rolle zu spielen. Dass sie keinen Groll hegt, dass sie ein Menschenfreund ist, einen unglaublichen Humor und diese unfassbare mütterliche Überkraft hat.
Alexander Scheer und Meltem Kaptan spielen Hauptrollen
Sie haben ja mit Alexander Scheer gespielt. Er übernimmt die Rolle von Anwalt Bernhard Docke, der gemeinsam mit Rabiye für die Freilassung ihres Sohnes gekämpft hat. Wie war Ihre Zusammenarbeit als ungleiches Paar?
Ich finde ihn großartig. Auch bei uns hat dieses Ungleiche sehr gut funktioniert. Es ist wichtig, dass einen trotzdem etwas verbindet. Das gilt sowohl für Bernhard Docke und Rabiye Kurnaz, als auch für Alexander Scheer und mich. Dass man für ein und dasselbe kämpft. Im Fall von Bernhard Docke und Rabiye Kurnaz ist es Gerechtigkeit für Murat Kurnaz.
Und für Sie?
Diese Geschichte zu erzählen, so dass sie gehört wird. Dass diese Lebensleistung, die dahintersteckt, gesehen wird.
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Was wussten Sie vorher überhaupt über Murat Kurnaz?
Ich erinnere mich an den Moment, wo er bei Beckmann war. Wie er dort saß, mit diesen langen Haaren und dieser langsamen Art zu sprechen. Man merkte, der hat Folter erlebt, der ist traumatisiert. Dieses Bild hat mich richtig erschüttert. Aber erst jetzt, als das Drehbuch an mich herangetragen wurde, habe ich mich damit befasst. Seine Mutter kannte ich zu dem Zeitpunkt gar nicht. Das ist auch das Spannende: Wenn einem Menschen Unrecht passiert, schlägt das Wellen. Dieser Mensch hat Angehörige, dieser Mensch wird einem sozialen Gefüge entrissen. Dass das jetzt aus dieser Perspektive erzählt wird, finde ich spannend.
"Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush": Kinostart am 28. April 2022
Welche Rolle spielen Vorurteile und Rassismus in der Geschichte?
Natürlich ist das die Grundthematik. Wann gehört ein Kind, ein Jugendlicher, ein Mensch zu einem Land? Gehört er nicht mehr zu einem Land, wenn er ungemütlich wird, obwohl er hier sozialisiert und zur Schule gegangen ist? Das sind Fragen, die immer noch aktuell sind.
Was kann man aus Ihrem Film mitnehmen?
Dass man niemals sagen sollte: "Ich bin eine Hausfrau, was habe ich denn schon auszurichten?" Man sieht ja sehr wohl: Sie hat es geschafft! Dass es Möglichkeiten gibt zu gewinnen und Positives zu erreichen.
Ihr Film war auch Eröffnungsfilm beim Istanbul Film Festival. Wie war dort das Feedback?
Es ist so spannend, zu sehen, dass gleichermaßen geweint wird, dass die Menschen gleichermaßen berührt sind, dass sie auch an den gleichen Stellen schmunzeln. Dass der Film auch dort bewegt und die Geschichte und ihre Dramatik auch dort ankommt. Es ist ein Film, der über die Grenzen hinausgeht. Von der Urthematik der mütterlichen Kraft fühlen sich einfach alle angesprochen, egal aus welchem Land. Da fühlen sich viele abgeholt und verstanden.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Interview & Text: Robert Gruhne