Im Test entpuppt sich „Indiana Jones und der Große Kreis“ als packendes Stealth-Action-Adventure, das den Reiz der Kult-Filme perfekt einfängt.
- Der Große Kreis ist storytechnisch ein kleiner Schatz für alle Indy-Fans
- Indiana Jones und der Große Kreis: Open World oder linear? So spielt es sich!
- Was Indy und Nathan Drake dann doch ganz grundsätzlich unterscheidet
- Technik, Performance & Bugs: Unsere Eindrücke
- Fazit zu Indiana Jones und der Große Kreis
Nach knapp acht Spielstunden bewege ich mich noch immer durch die heiligen Hallen des Vatikans und beginne so langsam, aber sicher zu begreifen, wie gut „Indiana Jones und Der Große Kreis“ tatsächlich ist. In fast jedem anderen Action-Adventure wäre ich schon längst dem Hauptstrang gefolgt und hätte Nebenaufgaben, Puzzles und den obligatorischen Sammel-Kram links liegen lassen. Doch manchmal habe ich hier das Gefühl, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, was eigentlich die Hauptquest ist und was aus der Perspektive des berühmt-berüchtigten Archäologen nur Nebenschauplätze sind. Wie großartig MachineGames nämlich Nebenquests in die Haupthandlung einbinden und den Spieler:innen so tatsächlich einen großen Mehrwert bieten, ist nur einer der Aspekte, der „Indiana Jones und Der Große Kreis“ zu einem späten Highlight des Videospiel-Jahres 2024 macht.
Dabei waren die Voraussetzungen alles andere als leicht: Zwar genießen die Entwickler:innen des schwedischen Videospielstudios MachineGames durchaus einen sehr guten Ruf in der Szene, doch haben mit einem Action-Stealth-Adventure eben noch kaum Berührungspunkte gesammelt. Dazu sorgte die Wahl der Ego-Perspektive für eine Dauer-Diskussion in der Videospiel-Community: Müssen Action-Adventures á la „Uncharted“ nicht automatisch in Third-Person spielbar sein? Diese Frage beantwortet „Indiana Jones und Der Große Kreis“ mit einem klaren und deutlichen Nein. Spätestens nach ein bis zwei Spielstunden hat man die Ego-Perspektive vergessen. Viel besser noch: Wenn man sich als Priester verkleidet durch die heiligen Hallen des Vatikans bewegt und sich an wachsamen Nazi-Schergen vorbeischleicht oder sich durch enge Gänge einer düsteren Gruft zwängt, dann kann das Spiel die Immersionskarte vollends ausspielen.
Der Große Kreis ist storytechnisch ein kleiner Schatz für alle Indy-Fans
Manchmal fühlt sich der "Große Kreis“ tatsächlich so an, als hätte irgendein Hobby-Archäologe dieses Videospiel-Schätzchen in den 1980er Jahren ausgegraben und es 2024 erstmals in seinen High-End-Rechner eingelegt. Nein, keine Angst, „Indiana Jones und der Große Kreis“ sieht dank der neuesten Weiterentwicklung von id-Tech teilweise spektakulär aus. Doch das Spiel präsentiert sich äußerst cineastisch und spielt sehr bewusst mit der Nostalgiekeule – das macht sich auch bei der Handlung bemerkbar. Das Spiel ist zeitlich nämlich nach „Jäger des verlorenen Schatzes“ und vor „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ angesiedelt und lässt Indy nach einem kurzen Intro plötzlich auf einen gigantischen Widersacher in den Hörsälen des Marshall Colleges stoßen.
Weil ein seltenes Artefakt entwendet wurde und die Spur in den Vatikan führt, packt Indy flott seine sieben Sachen, inkl. Peitsche und Hut, versteht sich, und begibt sich in das Heiligtum der katholischen Kirche, das im Jahr 1937 zum Domizil zahlreicher Faschisten geworden ist. Die sind nicht ganz zufällig vor Ort: Der skrupellose Nazi-Archäologe Emmerich Voss ist auf der Suche nach dem Geheimnis rund um den Großen Kreis und ist bereit, über Leichen zu gehen, um sein Ziel zu erreichen. Doch auch Indy ist nicht auf sich allein gestellt: Neben seinen Kontakten, die rund um den Globus verstreut sind, begegnet Indy auch der gewieften Reporterin Gina, die auf der Suche nach ihrer Schwester ist und befürchtet, dass Voss & Co. hinter dem Verschwinden der weltberühmten Wissenschaftlerin stecken könnten.
Allzu viel wollen wir zur Jagd auf den Großen Kreis nicht verraten, auch wenn euch die Geschichte u.a. nach Gizeh und Sukhothai führt und einige Überraschungen auf dem Weg bereithält. Manchmal wirkt es so, als hätte Machine Games ein altes Skript von Drehbuchautor Lawrence Kasdan ausgegraben, den Staub weggepustet und dann in mühevoller Kleinarbeit in ein Videospiel transportiert. Dass auch die „Wolfenstein“-Spiele durchaus mit ihrer epischen Inszenierung punkten konnten, kommt auch „Indiana Jones und der Große Kreis“ zugute: Die Zwischensequenzen sind herrlich oldschoolig und gleichzeitig verdammt stimmungsvoll. Und irgendwie wirkt das Spiel auch in puncto Storytelling richtig RUND. Sorry, der musste sein.
Unser Interview mit den Hauptdarstellern von Indiana Jones und der Große Kreis findet ihr hier:
Indiana Jones und der Große Kreis: Open World oder linear? So spielt es sich!
Ein großes Fragezeichen, das ich vor dem Test von „Indiana Jones und der Große Kreis“ hatte, war die Tatsache, wie Machine Games das Indy-Abenteuer aufbauen würden. Die Verantwortlichen haben sich für eine Mischung aus Open World und linearen Abschnitten entschieden. Ähnlich wie bspw. bei „Star Wars Outlaws“, nur in deutlich kompakteren Gebieten, durchstöbert ihr als Indiana Jones so genannte „Hub“-Schauplätze, die unheimlich vielschichtig ausfallen. Um nochmal auf die Vatikanstadt zurückzukommen: Selbst nach acht Spielstunden, in denen ich immer wieder gefühlt „alles“ gesehen hatte, überraschte mich das Spiel immer wieder aufs Neue mit Arealen, Puzzles und Geheimnissen. Die Schauplätze strotzen nur so von unglaublich vielen liebevollen Details. Ihr habt also die Qual der Wahl, ob ihr euch an der Hauptstory entlanghangelt oder dann doch lieber über die Dächer stöbert und mit eurer Kamera ein paar Katzenbilder macht.
Das ist übrigens kein Scherz: Indys Fotokamera liefert euch nicht nur hübsche Schnappschüsse, sondern ist genauso wie Peitsche & Co. ein essenzielles Werkzeug in Indys Repertoire. Denn die Bilder belohnen euch nicht nur mit Erfahrungspunkten, die ihr wiederum für Skill-Upgrades einsetzen könnt, die teilweise in der Spielwelt als „Bücher“ versteckt sind, sondern liefern euch in einigen Puzzles auch sinnvolle Hinweise. Spannend ist, dass ihr einige Sidequests erst abschließen könnt, wenn ihr in der Story weit genug vorangeschritten seid: Ich habe mich in ein streng bewachtes Gebiet in der Vatikanstadt geschlichen, um am Rande eines geheimen Museums eine Quest abzuschließen. Doch die entscheidende Tür blieb mir verborgen – bis ich später mit Gina an meiner Seite den geblockten Bereich „freischalten“ konnte.
Trotzdem fühlt sich das Gameplay sehr organisch an. Wie ich bereits eingangs erwähnte, greifen Side- und Mainquest Hand in Hand: Dass ich ausgerechnet in einer Nebenmission auf eine der wichtigsten Figuren des Spiels getroffen habe, hat mich wirklich überrascht. Auch das Sammeln von Artefakten & Co. fühlt sich nicht wie eine lästige Beschäftigungsmaßnahme an, sondern geht fast Hand in Hand mit dem Entdeckertrieb, der in den großartigen Schauplätzen im besten Fall geweckt wird.
Hier seht ihr den Launch-Trailer zu "Indiana Jones und der Große Kreis":
Was Indy und Nathan Drake dann doch ganz grundsätzlich unterscheidet
Doch ganz gemütlich nur „entdecken“ und Schätze bergen ist für Indy natürlich nicht immer drin. Schließlich wollen einige fiese (Nazi-)Schergen dem Kult-Archäologen auf die Pelle rücken. Tatsächlich spielt sich „Indiana Jones und Der Große Kreis“ in puncto Action deutlich mehr wie ein Stealth-Abenteuer á la „Dishonored“ als ein „Uncharted“. Indy kann sich allerlei Waffen aus der Umgebung greifen und damit die Bad Boys vermöbeln, überwältigen oder in einen Faustkampf zwingen. Das Kampfsystem aus der Ego-Perspektive hat uns weitgehend gut gefallen, auch wenn es zumindest in diesem Aspekt viel Verbesserungspotenzial gibt: So sind Fundwaffen nach unserem Geschmack etwas zu oft verstreut und zu mächtig, weil ihr fast alle Widersacher mit zwei bis drei Schlägen ins Nirvana kloppen könnt. Auch die Gegner-KI hat deutlich Luft nach oben: Oft haben Gegner gar nicht gemerkt, dass wir einen Kollegen nur ein paar Meter Luftlinie entfernt gerade ohnmächtig geschlagen haben. Generell könnt ihr die Schwierigkeit sowie die Kniffligkeit der Puzzles regulieren.
Trotzdem hat uns auch die Action in „Der Große Kreis“ grundsätzlich gefallen, weil sie sich einfach so anders spielt als bspw. in einem „Uncharted“. Indy ist deutlich schwerfälliger und manövriert seinen Körper eben ganz anders als der ultra-agile Nathan Drake. Das ist auch bei den Platforming-Passagen spürbar, in denen sich Indy bspw. mit Hilfe seiner Peitsche an Abgründen hochziehen kann bzw. auf andere Ebenen schwingen kann. Allerdings nur, solange seine Ausdauer ausreicht. Auch die Puzzle-Einlagen rangieren von einfach bis durchaus über eine Ecke gedacht: Die Lösung löst sich meistens über Hinweise auf Notizen oder Zeichnungen finden, die Indy in seinem schicken Journal sammelt und die Spieler:innen natürlich zu jeder Zeit als Hinweise zu Hilfe ziehen können.
Technik, Performance & Bugs: Unsere Eindrücke
Wir haben Indiana Jones und der Große Kreis auf unseren beiden High-End-Testgeräten gespielt. Das wäre zum einen ein Desktop-PC mit folgendem Setup:
- Mainboard: ASUS ROG CROSSHAIR X870E HERO
- CPU: AMD Ryzen 7 7800X3D
- GPU: Gainward Geforce RTX 4080 Phantom
- Kühler: ARCTIC Liquid Freezer III 360 RGB
- RAM: 32 GB (2x 16 GB) G. Skill Trident Z5 Neo RGB DDR5 DRAM 6000MHz
- OS: Microsoft Windows 11 Pro 64-bit
Dazu haben wir das Spiel auch mit dem gut ausgestatteten Acer Predator Helios 18 mit einer Nvidia RTX 4080-Mobile GPU sowie einem Intel® Core™ i9-13900HX an Bord.
(Wichtiges Tech-Test-Update: Wir haben das Spiel bereits vor Release getestet und uns jetzt noch einmal das volle Raytracing-Update am 09. Dezember mit den aktuellen Game Ready-Treibern angeschaut. Auch deshalb sind unsere Technik-Eindrücke an dieser Stelle von den ursprünglichen Eindrücken abweichend):
Zunächst einmal gebührt Machine Games Lob für die generell großartige Präsentation: Ob in den sandigen Gassen von Gizeh oder in den prunkvollen Marmor-Hallen des Vatikans: Qualitativ liefert die neueste Inkarnation von id-Tech wirklich eine beeindruckende Grafik, die mit tollen Texturen, großer Weitsicht und einem wirklich beeindruckenden Detailreichtum punkten kann. Grundsätzlich unterstützt „Indiana Jones und der Große Kreis“ auch das volle Spektrum an modernen Grafik-Technologien inkl. Path Tracing mit Ray Reconstruction – allerdings war diese Grafik-Option erst am offiziellen Release-Tag, nämlich am 09. Dezember 2024, freigeschaltet worden. Wir konnten uns jetzt davon überzeugen.
Selbst ohne Pathtracing macht „Indiana Jones und der Große Kreis“ Gebrauch von RTGI, also Ray Traced Global Illumination, das natürlich primär die Beleuchtung sowie Licht- und Schatteneffekte nur mit Raytracing abbildet. Das sieht auf den Marmor-Oberflächen im Vatikan natürlich besonders schick aus oder in einer Gruft in Gizeh, in der nur ein einziger Lichtstrahl in den Raum scheint. Path-Tracing erweitert das Spektrum mit vollständiger Raytracing-Darstellung, was vor allem einem visuellen Element zugutekommt: der Schattendarstellung. Die Schatten sind dank Pathtracing deutlich feiner und realistischer abgebildet. Doch wie schon bei unseren letzten Pathtracing-Tests zu „Alan Wake 2“ und „Cyberpunk 2077: Phantom Liberty“ ist klar, dass sich Path-Tracing natürlich sehr kostspielig auf die Gesamt-Performance des Spiels auswirkt. Bei „Indiana Jones und der Große Kreis“ ist Pathtracing zwar etwas genügsamer, allerdings nur, wenn eure Grafikkarte mindestens über 16 GB VRAM verfügt und ihr den „Texture Streaming Pool“ anpasst, da er sich primär auf den VRAM auswirkt. Für Grafikkarten unter einer RTX 4080 Super ist es deshalb bspw. notwendig, den „Texture Streaming Pool“ auf „Hoch“ oder „Medium“ zu stellen.
Performancetechnisch haben wir ansonsten absolut nichts auszusetzen: id-Tech galt immer als sehr genügsam in Titeln wie „Doom Eternal“ und selbst auf Hyper-Settings ohne Pathtracing (ja, in Indy gibt es noch zwei Grafikstufen über „Ultra“, was etwas unsinnig erscheint) lief das Spiel mit 4K-Auflösung und über 70–80 FPS im Schnitt. Großartige Bugs haben wir ebenfalls nicht feststellen können, bis auf kleinere Clipping-Fehler. Mit Full-RT, also Path-Tracing, erreichten wir ca. 40 FPS bei DLSS Balanced-Einstellungen. Stellt man die Full-RT-Einstellungen auf „Mittel“, konnten wir mit ca. 60 Bildern pro Sekunde im Schnitt auf 4K spielen und profitierten trotzdem von den deutlich schöneren Schatten-Darstellungen des Spiels. Generell gilt: „Indiana Jones und der Große Kreis“ ist wirklich exzellent optimiert. Je nach GPU konnten wir auch mit DLSS noch einmal einen deutlichen Anstieg der Framerate um ca. 20–30 % von nativ zu DLSS Balanced beobachten.
Ein Bug wurde aber bisher immer noch nicht behoben:
- Bei den Zwischensequenzen wird die Framerate auf 60 FPS begrenzt, was per se nicht störend ist. Allerdings kam es hin und wieder vor, dass Objekte bei Schwenks in Zwischensequenzen offensichtlich deutlich langsamer mit 30 FPS dargestellt werden, was zu seltsamen Nachzieheffekten geführt hat. Hier muss Machine Games in Zukunft möglicherweise noch einmal nachsetzen.
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Fazit zu Indiana Jones und der Große Kreis
Mag sein, dass ich immer noch sehnlichst auf ein "Uncharted 5" warte, aber die Lust auf Abenteuer, exotische Orte und einfach immens viel Spielspaß hat Indiana Jones und der Große Kreis für mich perfekt bedient. Hut ab vor MachineGames, die hier wirklich keinen einfachen Stand hatten, die legendäre Filmreihe in ein packendes und mitreißendes Action-Adventure zu verwandeln. Was mich am meisten überrascht, ist, wie alle Zahnräder ineinandergreifen: das starke Storytelling, die fantastischen Haupt- und Nebenmissionen, das motivierende Erkunden und die coolen Rätsel. Bei der (Stealth-)Action gibt es sicherlich den einen oder anderen Aspekt, den ich mir noch etwas feiner ausgearbeitet gewünscht hätte, doch ansonsten ist Indiana Jones und der Große Kreis ein echtes Highlight des Spieljahres 2024 und der perfekte Zock für die Adventszeit.
"Indiana Jones und der Große Kreis" erscheint zunächst am 09. Dezember (und schon am 06. Dezember im Early-Access) für Xbox Series X|S und PC. Das Spiel erscheint außerdem auf PlayStation 5 im Frühjahr 2025.