Selten war dieser Tom Hanks so gut: Als Captain Phillips stellt er sich gegen Piraten an Bord seines geenterten Schiffs. TV Movie sprach mit ihm über Heulsusen, Disziplin und Ausraster...
Achteinhalb Milliarden Dollar haben seine Filme weltweit eingespielt, damit gilt Tom Hanks (57) als größter Box-Office-Champion aller Zeiten. Erfolgreich war der zweifache Oscar-Gewinner zwar auch in den letzten Jahren („Illuminati“,„Cloud Atlas“) - mit großer Schauspielkunst hielt er sich jedoch seit „Cast Away – Verschollen“ (2000) eher zurück. Als „Captain Phillips“ zeigt Hanks jetzt endlich wieder, was wirklich in ihm steckt. Der Star gibt eine grandiose Vorstellung als Kapitän eines von somalischen Piraten gekaperten Schiffs. „In Zeiten, in denen Superhelden im Kino regieren, spielt Tom Hanks einen ganz normalen Typen“, erklärt Regisseur Paul Greengrass (58). Dieser „Normalsterbliche“ lässt uns jetzt mächtig mitzittern. Ein dritter Oscar ist durchaus drin.
Mr. Hanks, Sie haben den echten Kapitän Phillips vor Drehbeginn getroffen. Was war Ihr erster Eindruck?
Tom Hanks: Er trug nur Socken, als ich ihn besuchte.
Sonst nichts?
Nein, sorry (lacht)! Ich meinte: Er hatte keine Schuhe an, trank gerade ein Bier und sah sich ein Basketball-Spiel im Fernsehen an. Und ich dachte: Der Kerl gefällt mir! Ich habe ihm gesagt: Ich werde Sie spielen, ob Sie das nun gut finden oder auch nicht. Darüber haben Sie nicht zu entscheiden. Und dann fingen wir an, uns zu unterhalten. Ein toller Typ.
Phillips saß fünf Tage allein mit den Piraten in einem Rettungsboot. Ist er für Sie ein Held?
Er selbst sieht sich nicht so, auch wenn die Medien ihn vor vier Jahren dazu gemacht haben. Er meinte, dass er damals auf die Helden gewartet hat, die ihn retten. Ich finde auch nicht, dass Phillips heldenhaft gehandelt hat. Er hat schlichtweg versucht, dass alle an Bord mit dem Leben davonkommen. Und sehr klug agiert, indem er in dieser Situation nicht den Kapitän spielte, der Befehle erteilt.
Das Ende des Films ist sehr emotional. Was bringt Sie zum Weinen?
Ich bin ein sentimentaler Kerl und weine über vieles. Kriegsfilme sind meine Schwäche. Nach außen hin sehe ich vielleicht nicht so aus, aber ich bin eine Heulsuse. Ich weine nur nicht in der Öffentlichkeit.
Paul Greengrass sagt, Sie hätten sich beim schwierigen Dreh niemals beklagt. Lassen Sie nie den Superstar raushängen?
Wissen Sie, was Arschlöcher machen: Sie kommen zu spät, und sie kennen ihren Text nicht. Pünktlichkeit und Textsicherheit zählen aber zu den Selbstverständlichkeiten eines professionellen Schauspielers. Das habe ich schon als junger Mann beim Repertoiretheater gelernt. Wir eröffneten das Great Lake Shakespeare Festival, wo ich den Rinaldo in „Hamlet“ spielte. Dummerweise hatten wir am Abend vorher Party gemacht. Wir waren noch total benebelt, der Regisseur tobte. Seitdem arbeite ich sehr diszipliniert.
Sie haben sich also niemals wie eine Primadonna aufgeführt?
Sie wollen ein Beispiel dafür, dass ich ein großes verdammtes Arschloch sein kann?
Lassen Sie hören!
Okay. Dazu müssen Sie wissen: Der Hair-und-Make-up-Trailer ist am Set hochheilig, selbst Stars sind dort nur Besucher. Diese Leute sind sehr wichtig: Sie bringen uns Tee, kämmen unser Haar, hören sich unsere Probleme an. Eines Tages kam eine Regieassistentin mit einem Funkgerät rein, das die ganze Zeit plärrte. Ich verlor die Fassung und schrie: Wir machen hier einen wichtigen Job. So können wir nicht arbeiten. Du bist nur ein Produktions-Handlanger. Ich rastete total aus.
Nach dem ganzen Dreh-Stress – wo schöpfen Sie am besten neue Kräfte?
Abends im Bett mit meiner Frau. Ich lege ein Kissen unter meine Knie, hole das Kreuzworträtsel heraus und rede mit ihr über den vergangenen Tag. 20 Minuten später kommt mein Zahnschutz rein, und ich fange an Schäfchen zu zählen.
INTERVIEW: Rüdiger Rapke