Mit „NieR Replicant ver. 1.22474487139…“ wird das erste "NieR"-Spiel neu aufgelegt. Doch können auch Uneingeweihte mit dem Remaster Spaß haben? Das erfahrt ihr in unserem Test
Getestet von: Matthias Holm
2010 erschien mit „NieR“ ein etwas ungewöhnliches Videospiel. Nach durchwachsenen Reviews konnte es aber im Laufe der Zeit immer mehr Fans gewinnen. Das sah man dann bei „NieR Automata“, was für viele als eines der besten Spiele des letzten Jahre gilt. Nun erscheint mit „NieR Replicant ver. 1.22474487139…“ ein Remaster des ersten Teils, mit dem Kenner sowie Uneingeweihte den Start der Reihe neu erleben können.
Dieser Test ist aus der Sicht der letzteren Zielgruppe geschrieben, denn auch wenn beide Spiele durchaus ein Begriff sind, hatten wir bisher nur wenige bis gar keine Berührung mit dem Action-Rollenspiel. Allerdings hilft das Wissen, dass „NieR“ etwas besonderes ist, denn das Spiel macht es einem nicht leicht, am Ball zu bleiben.
Wer sich anfangs über die merkwürdige Hauptfigur wundert, sei beruhigt. Die „NieR“-Version die in Europa bekannt ist, erschien in Japan unter dem Namen „NieR: Gestalt“ für die Xbox 360. Das Remaster basiert aber auf der PS3-Fassung namens „NieR Replicant“. Die Unterschiede zwischen beiden Fassungen sind marginal, lediglich die Hauptfigur und die Beziehung zu Yonah sind unterschiedlich.
Diese Dame gilt es nämlich in dem Spiel zu retten. In „Gestalt“ war es die eigene Tochter, in „Replicant“ ist es die Schwester, die von einem seltsamen Fluch befallen ist. Nach kurzer Spielzeit erhaltet ihr ein Buch mit einem ungewöhnlichen Eigenleben, Grimmoire Weiss. Es ist ein Buch aus Legenden und Sagen, laut denen sogenannte „verschlüsselte Verse“ es ermöglichen, Yonahs Krankheit zu heilen. Auf ihrer Reise müssen sie gegen Schatten kämpfen, die die Bewohner der postapokalyptischen Welt angreifen.
Klingt alles bekannt? Ist es auch. Die ersten Spielstunden wähnt man sich in einem typischen 08/15-Actionspiel, die es wie Sand am Meer gibt. Geh nach Punkt A, schaffe den Dungeon, erhalte eine neue Fähigkeit, gehe zu Punkt B, erledige auf dem Weg die Gegner. Richtig langweilig sind vor allem die Nebenmissionen, die seltenst über simple Sammelaufgaben hinaus gehen und ohne nennenswerte Belohnungen aufwarten.
Hier ist es vor allem das Kampfsystem, welches bei der Stange hält. Die Hauptfigur kann schnell die Waffen wechseln, mit Weiss Magie einsetzen, schwache und starke Schläge kombinieren. Ausweichen und Blocken können ebenfalls zum Einsatz kommen und bei Bedarf sogar auf neue Tasten gelegt werden. Manchmal hinterlassen Gegner „Wörter“. In „NieR“ sind das Items, mit denen ihr eure Fähigkeiten verstärken könnt, zum Beispiel damit eure Waffen Giftschaden machen.
Je mehr Zeit man in der Spielwelt verbringt umso mehr enthüllen sich aber auch deren Geheimnisse und man bemerkt, wie einem die Figuren ans Herz wachsen. Allerdings sollte man sich drauf gefasst machen, hier einige emotionale Achterbahnfahrten zu durchleben. Denn ähnlich wir der fantastische Score, der direkt aus einem Studio Ghibli-Film stammen könnte, schwanken die Geschichten, die erzählt werden, zwischen melancholisch und todtraurig.
Auch spielerisch entwickelt sich „NieR Replicant“ immer weiter. Wie bereits in „Automata“ werden hier plötzlich Genres gewechselt. Hat man in einem Moment noch in einer Kammer Rätsel gelöst, ohne dass man springen darf, bekommt man eine Stunde später plötzlich ein Text-Adventure vorgesetzt. Das kann abschreckend wirken, lockert den Spielverlauf aber enorm auf und lässt den Spieler immer in freudiger Erwartung, was sich die Macher als nächstes ausgedacht haben. Und so viel sei gesagt – wer das Spiel nach rund 25 Stunden beendet hat, hat noch längst nicht alles von der Geschichte gesehen. In dieser Version wurde sogar ein weiteres Ende hinzugefügt, welches ihr euch freispielen könnt.
Leider merkt man an vielen Stellen, dass das Grundspiel bereits einige Jahre auf dem Buckel hat. Zwar wurden im Remaster viele Dinge überarbeitet, optisch kann „Replicant“ durchaus mit modernen beispielsweise mithalten. Neben den Nebenmissionen sind es aber eine Vielzahl an Details, die einem heutzutage nur selten unterkommen. Über eine fehlende Schnellreise-Funktion macht sich das Spiel sogar in einem schnippischen Dialog lustig – dass man aber zwischen den Städten hin und her rennen muss nervt trotzdem auf Dauer.
Die leere Spielwelt ist dem Szenario zuzuschreiben. Zusammen mit den NPCs, die immer das gleiche machen, wirkt aber jeder Ort leblos – auch wenn letztere hervorragend vertont wurden. Zu guter Letzt haben moderne Spiele wie „Bravely Default 2“ gezeigt, dass man in dem Spiel nicht zwingend die Möglichkeit braucht, durchgehend speichern zu können – aber mehr als ein Speicherpunkte pro Ortschaft hätten es ruhig sein dürfen.
„NieR Replicant“ ist wie eine Zwiebel – um zum Kern zu kommen, muss man sich nach und nach durch verschiedene Schichten arbeiten. Das Spiel macht es gerade Neueinsteigern nicht leicht. Wer sich aber die Mühe macht und sich drauf einlassen kann, wird mit einem nicht sonderlich zeitgemäßen, aber dennoch tollen Erlebnis belohnt.
„NieR Replicant ver. 1.22474487139…“ erscheint am 23. April für PS4, Xbox One und den PC.