Fünf Jahre nach der Neuverfilmung von „Der König der Löwen“ wird die Geschichte durch ein Prequel erweitert. Dass man sich hier auf keine Vorlage stützt, erweist sich als weise Entscheidung.
Was ist schon real? Diese Frage warf „Der König der Löwen“ im Jahr 2019 auf, als Disney den beliebten Zeichentrickfilm als „Realverfilmung“ ins Kino brachte, in der jedoch alle Aufnahmen aus dem Computer stammten. Das Ergebnis war ein Remake, das zumindest aus technischer Sicht überzeugen konnte, bei den tierischen Hauptfiguren aber auf Probleme stieß.
Der Versuch, Simba und Co. sprechen und singen zu lassen und mit einer ausdrucksstarken Mimik auszustatten, kollidierte mit dem Vorhaben, die Löwen auch möglichst realistisch darzustellen. Es hat schon einen Grund, warum DreamWorks allen Tieren markante Augenbrauen verpasst: Es ist vielleicht nicht realistisch, aber ein leicht zu deutendes Mienenspiel haben Tiere nun mal eigentlich nicht.
So blieb „Der König der Löwen“ recht fantasie- und emotionslos, denn bunte, dynamische Musicalnummern wurden durch Tiere ersetzt, die einfach beim Singen geradeaus gingen. Mufasas Tod, die wichtigste Szene des Films, verlor hier fast vollständig ihre Dramatik. Da konnte die Sonne der Savanne noch so heiß und realistisch scheinen – der Kern der Geschichte ließ einen kalt.
Wo Barry Jenkins draufsteht, muss Barry Jenkins nicht unbedingt drinstecken
Und so kommen wir zu „Mufasa – Der König der Löwen“. Da „Der König der Löwen“ trotz aller Schwächen ein großer Erfolg wurde, entschied sich Disney dazu, die Geschichte durch ein Prequel zu erweitern. Dass für die Regie Oscargewinner Barry Jenkins („Moonlight“) gewonnen werden konnte, war ein Kniff, der gleichermaßen beeindruckte und verwirrte. Würde sich Jenkins‘ Handschrift nach mehreren starken Dramen auch in „Mufasa“ wiederfinden lassen? Die Antwort darauf ist ein deutliches „Nein“, wie „Mufasa“ schnell klarstellt.
Das ist jedoch nicht als Kritik am Film selbst zu verstehen; er lässt nur keine klare künstlerische Führung erkennen, die man vielleicht bei der Beteiligung eines so namhaften Regisseurs erwarten würde. Dafür hat „Mufasa“ etwas zu bieten, was „Der König der Löwen“ noch fehlte: einen Mehrwert.
Was bisher geschah …
Wenig überraschend wiederholt „Mufasa“ diverse negative Aspekte aus „Der König der Löwen“, etwa die emotionslosen Löwengesichter und die recht einfallslosen Musicalszenen. Doch anders als die Neuverfilmung aus dem Jahr 2019 hat „Mufasa“ keine direkte Vorlage und profitiert daher davon, sich nicht mit einem stärkeren Zeichentrickfilm messen zu müssen.
Insofern war es auch eine gute Entscheidung, die Geschichte nicht einfach durch ein Remake von „Der König der Löwen 2: Simbas Königreich“ fortzusetzen. Das Handlungsgerüst, in dem Rafiki Simbas Tochter Kiara von den bescheidenen Anfängen ihres Großvaters Mufasa erzählt, wirkt zunächst ein wenig ungelenk. Wenn dann aber die „richtige“ Handlung losgeht und wir mehr über Mufasa und die Welt außerhalb des Geweihten Landes erfahren, ist das durchaus interessant und unterhaltsam.
Nachdem Mufasa von seinen Eltern getrennt wird – kein Disneyfilm ohne eine Waise! – wird er von der Strömung eines Flusses weit weggetrieben und von Taka, einem Löwen in Simbas Alter, gefunden. Als Sohn von Obasi, dem König seines Rudels, soll Taka eines Tages selbst König werden, doch daran zeigt dieser bisher kaum Interesse, zudem steht ihm seine Angst oft im Weg. Umso glücklicher ist er jedoch, in Mufasa eine Art Bruder gefunden zu haben, auch wenn Obasi die Aufnahme dieses Streuners nur billigt, nicht aber gutheißt.
Aus Taka wird Scar
Wenn „Der König der Löwen“ Disneys Version von „Hamlet“ ist, dann ist „Mufasa“ zumindest teilweise an die biblische Geschichte von Moses angelehnt. Denn auch Mufasa wächst hier über sich hinaus und wird zu einem Aushängeschild der Hoffnung, während sich Taka immer mehr von ihm abwendet. Aus diesem Grund ist Taka hier auch die spannendere Figur, denn es ist kein Geheimnis, dass wir es hier mit dem Löwen zu tun haben, der später unter dem Namen Scar für Mufasas Tod verantwortlich sein wird.
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Während Mufasa also stets mit gutem Beispiel vorangeht, bekommen wir hier auch die Origin-Story eines bekannten Disneyschurken geboten. Da Scar jedoch erst in „Der König der Löwen“ die Krallen ausfährt, erhalten wir in „Mufasa“ mit dem Wolfsrudel von Kiros neue Widersacher. Kiros ist als großer, weißer Löwe zwar eine eindrucksvolle Erscheinung, hinterlässt sonst aber kaum einen bleibenden Eindruck. Er ist ein akzeptables, aber letztendlich entbehrliches Hindernis, denn die Frage in „Mufasa“ ist nicht, wie der Film ausgehen wird, sondern nur, wie der Film die Ausgangslage erreichen kann, die wir schon aus „Der König der Löwen“ kennen.
Fazit
Letztendlich bietet „Mufasa“ gute Unterhaltung, nicht mehr und nicht weniger. Disney geht hier weitestgehend auf Nummer sicher und in einem Atemzug mit „Der König der Löwen“ von 1994 wird man „Mufasa“ nie nennen. Es sollte dennoch als Erfolg gewertet werden, dass einem hier etwas Neues geboten wird, nachdem sich die „Der König der Löwen“-Neuverfilmung wie reines finanzielles Kalkül anfühlte.