Ein bisschen Narnia, ein bisschen "Stranger Things" und ein bisschen "Spuk in Hill House": Warum "Locke & Key" das Zeug zum neuen Netflix-Hit hat, verraten wir in der Kritik.
Locke & Key – Staffel 1: Worum geht’s?
An eine gigantische Schlüssel-Schnitzeljagd haben die Locke-Geschwister Tyler (Connor Jessup), Kinsey (Emilia Jones) und Bode (Jackson Robert Scott) so gar nicht gedacht, als sie mit ihrer Mutter Nina (Darby Stanchfield) in das mysteriöse Keyhouse in Matheson, Massachusetts gezogen sind. Der Anlass könnte kaum traumatischer sein: Rendell Locke, der Vater der drei Geschwister und Mann von Nina, wurde von einem seiner Schüler brutal umgebracht – im Beisein seiner Familie. Das schwere Trauma will die Familie ausgerechnet in dem Haus aufarbeiten, in dem Rendell seine komplette Kindheit und Jugend verbracht hat.
Doch eine seltsame Aura umgibt das Anwesen und das verschachtelte Innenleben des gigantischen Hauses. Und Bode, der jüngste der drei Geschwister, beginnt plötzlich ein leises Flüstern zu hören, das ihn zu versteckten Schlüsseln führt, die im gesamten Keyhouse verteilt sind. Eine mysteriöse Stimme im Brunnen des Anwesens verrät ihm schließlich, dass es sich bei seinen Funden um geheime Schlüssel handelt, die magische Fähigkeiten besitzen. Immer mehr Schlüssel gelangen in den Besitz von Bode, der damit nicht nur überall in der Welt herumreisen, sondern auch in seinem eigenen Kopf "aufräumen" kann. Doch um die magische Kraft der Schlüssel wissen nicht nur die Locke-Kinder: Denn die "Lady im Brunnen" verfolgt ihren ganz eigenen perfiden Plan.
Locke & Key: Der steinige Weg zur finalen Netflix-Serie
Bei "Locke & Key" handelt es sich um die Adaption der beliebten "Graphic Novels" bzw. Comicromane von Gabriel Rodriguez und Joe Hill, dem Sohn von Horrorautor Stephen King. 2013 wurde die Saga mit der Ausgabe "Locke & Key: Omega" vorläufig beendet, auch wenn die beiden Comic-Autoren bzw. –Illustratoren bei der Comic Con 2019 angekündigt haben die "Locke & Key"-Hintergrundgeschichte mit einem neuen Ableger namens "World War Key" fortsetzen zu wollen. Bisher ist noch kein genauer Starttermin für die Comics bekannt: Voraussichtlich soll die erste Ausgabe aber noch im Jahr 2020 erscheinen.
Doch nun erscheint "Locke & Key" erst einmal als Serien-Adaption, was an sich schon eine kleine Sensation ist: Bis die beiden Showrunner Carlton Cuse ("Lost") und Meredith Averill ("Spuk in Hill House") die richtigen Schlüssel gedreht haben, um die Serie tatsächlich auf die Bildschirme zu bringen, vergingen viele Jahre. Bereits 2011 hatte 20th Century Fox eine Pilot-Folge zu "Locke & Key" produzieren lassen, 2017 folge der US-Streaming-Anbieter Hulu – doch kein Studio wollte das Risiko tragen, der Serie tatsächlich grünes Licht zu geben. Netflix sicherte sich schließlich die Rechte von Hulu und ersetzte alle bereits verpflichteten Schauspieler bis auf "Bode"-Darsteller Jackson Robert Scott. Hat sich das Risiko ausgezahlt?
Locke & Key: Deshalb hat die Serie das Potenzial zum nächsten Netflix-Hit
Tatsächlich erinnert "Locke & Key" in den besten Momenten an ein wildes Best-of aus dem Netflix-Programm sowie Einflüsse weiterer Film-Klassiker. Das Augenzwinkern in Richtung "Die Chroniken von Narnia" kommt nicht von ungefähr: Wenn Bode, Kinsey oder Tyler die magischen Schlüssel im Keyhouse entdecken und die passenden Türen dazu finden, dann erschaffen die Filmemacher genau jene magischen Momente, die Fantasy-Romane wie „Die Chroniken von Narnia“ oder die „Harry Potter“-Reihe erst ihren Welterfolg beschert haben. Die Chemie zwischen den Geschwistern und ihren Mitstreitern erinnert dabei immer wieder an die coolen Kids aus "Stranger Things", zu der auch die Kleinstadtkulisse ihren Beitrag leistet.
Und "last but not least" erinnert das Design von "Keyhouse" frappierend an andere "Haunted House"-Vertreter, wie bspw. Netflix exzellente „Spuk in Hill House“-Adaption, bei der "Locke & Key"-Showrunnerin Meredith Averill zufällig auch als Produzentin fungiert. Die Autoren schaffen es, all diese Genre-Einflüsse wie Fantasy, Familiendrama, Coming-of-Age-Film und Gruselfilm sehr geschickt unter einen Hut zu bringen ohne die Familien- und Massentauglichkeit der Geschichte außer Acht zu lassen. Dabei können sie sich nicht nur auf ein starkes Ensemble verlassen, sondern auch auf das schöne Production Design und die sehr gute Effektarbeit, um die spannungsgeladenen Höhepunkte in den zehn Folgen der 1. Staffel von „Locke & Key“ nicht abreißen zu lassen.
Locke & Key: Die letzte Konsequenz fehlt
Ob Comic-Fans mit der Netflix-Adaption von „Locke & Key“ glücklich werden, darf dennoch bezweifelt werden: Um all die unterschiedlichen Genre-Einflüsse erfolgreich unter einen Hut zu bekommen, gehen die Macher von „Locke & Key“ oftmals den sicheren (und familienfreundlichen) Weg. Die drastische Darstellung der einzelnen Figuren (siehe auch unser Interview mit "Nina Locke"-Darstellerin Darby Stanchfield) der Comic-Vorlage wurde deutlich aufgeweicht. Die echten Horror-Momente sind in der Serien-Adaption sehr rar gesät. Am problematischsten zeigt sich das vor allem an der großen Antagonistin "Dodge", die von Darstellerin Laysla De Oliveira zwar durchaus bedrohlich dargestellt wird, deren Handlungsweisen und Szenen aber nur selten bedrohlich wirken. Auch deshalb fehlt „Locke & Key“ die letzte Konsequenz, um seiner Vorlage tatsächlich gerecht zu werden.
Trotzdem bietet die Serie alle Zutaten, um ein voller Erfolg für den Streaming-Anbieter zu werden. Die schöne Inszenierung, das gute Schauspielensemble sowie die starke Ausgangsgeschichte machen aus „Locke & Key“ perfektes Binge-Material für ein langes Wochenende. Nachdem die Produktion an der zweiten Staffel bereits angelaufen ist, würden wir uns nur wünschen, dass die Showrunner den „Headkey“ ruhig einmal selbst benutzen, um sich noch zwei Schippen mehr Radikalität einzuflößen - ganz wie im Comicroman.
"Locke & Key" ist seit dem 07. Februar 2020 auf Netflix abrufbar. Einen Trailer dazu seht ihr hier:
* von David Rams