Zwei Männer tun sich mit einem weiteren Mann zusammen, um ein angebliches Problem von Frauen zu lösen. Heraus kommt: Müll – aber immerhin in Pink!
Da sind sie. Die Helden der Nation. Eugen Raimkulow und André Ritterswürden, beide 32 Jahre alt. Die beiden selbsternannten Frauenversteher wollen den Markt revolutionieren und das Leben der Frauen einfacher machen. Seit vier Jahren entwickeln sie dafür ihr Produkt „Pinky Gloves“ und präsentierten dies in der „Höhle der Löwen“ am Montagabend. Haben sie etwa eine Lösung gefunden, die Gender Pay Gap zu schließen? Etwa einen Weg, sexuelle Übergriffe zu vermeiden? Nein, ihre Entwicklung ist ein pinker Einmal-Handschuh, der das Thema Menstruation weiterhin stigmatisiert und an Sinnlosigkeit kaum zu übertreffen ist.
Mein erster wunder Punkt: „Menstruation“ oder „Periode“ werden im gesamten Pitch nicht einmal ausgesprochen. Stattdessen drucksen die Jungs herum und sprechen von „Tagen, an denen der Alltag besonders nervt.“ Sie präsentieren ihr Produkt als Lösung für ein Frauenproblem. Wenn die nämlich ihre Periode haben, würden viele auf Hobbies und Ausgehen verzichten, weil sie nicht wüssten, wohin mit dem gebrauchten Tampon. Dafür entwickeln sie also Pinky Gloves: Der Handschuh wird angezogen und der Tampon entfernt. Dann den Handschuh auf links drehen, Tampon darin einwickeln und mit einem neuen Handschuh den frischen Tampon einführen.
Eugen und André sind sich sicher, damit gleich mehrere Probleme gelöst zu haben: Wohin mit dem Tampon, wenn kein Mülleimer in der Nähe ist? Wie kann ich den blutigen Tampon heimlich entsorgen, ohne dass ihn jemand sieht? Und wie wechsele ich überhaupt Tampons, ohne mich in meinem eigenen Intimbereich anzufassen? Fragen über Fragen, die sich die Frauenwelt alltäglich stellt. Nicht.
Menstruation ist kein Tabu-Thema
Viele Frauen würden während ihrer Periode auf Ausgehen und Hobbies verzichten? Das trifft sicherlich zu auf alle, die unter schweren Unterleibsschmerzen wie Endometriose oder Adenomyose leiden. Grund in den Augen der jungen Männer sind aber fehlende Mülleimer und das Tampon-Wechseln per se. Sie suggerieren mit ihrer „Erfindung“, dass ich mich für meine Periode schämen müsste.
Die Idee kam ihnen in ihrer Zeit in einer Frauen-WG und dem ein oder anderen Blick in den Badezimmer-Mülleimer. Die Rede ist an dieser Stelle übrigens von „einschneidenden, gruseligen Erlebnissen“, was mehr nach Horrorfilm klingt, als nach WG-Leben. Die entsorgten Periodenprodukte der Mitbewohnerinnen, klassisch in Klopapier gewickelt, würden unangenehm riechen und schließlich „sieht man es ja auch“. Das geht natürlich nicht, wenn ich als Mann mit menstruierenden Personen zusammenlebe und dann auch noch erwartet wird, im Mülleimer den Anblick von Menstruationsblut ertragen zu müssen.
Mit dieser Einstellung tragen die beiden noch viel mehr dazu bei, die Periode zum Tabu-Thema zu machen. In meiner Zeit in drei verschiedenen Männer-WGs habe ich zumindest keinen Gedanken daran verschwendet, was die Herren der Schöpfung wohl zu Blut im Mülleimer sagen könnten. Und hätten sie ein Problem gehabt, gäbe es viele schöne andere Wohnungen zum Einziehen für sie.
2021 hat angerufen – es ist höchste Zeit für ein Umdenken
Auch reden die beiden dauerhaft davon, dass normalerweise Hände „dreckig“ gemacht werden würden und ihr Handschuh endlich für sauberes Tamponwechseln sorgt. Das Bild, dass die Menstruation etwas Schmutziges sei, ist ziemlich problematisch. Es ist absolut nichts verkehrt oder unhygienisch daran, sich mit dem Finger einen Tampon zu entfernen oder einzuführen. Schonmal was von Hände waschen gehört? Und fehlende Mülleimer sollten nicht zu meinem „Problem“ werden. Eher sollte dafür gesorgt werden, dass Mülleimer überall vorhanden sind, auch auf Herrentoiletten. Denn - Großer Aha-Moment für Eugen und André: Nicht nur Frauen menstruieren, sondern beispielsweise auch Trans*-Männer oder intersexuelle Menschen.
Außerdem ist ein schreiend pinker, überteuerter Handschuh wohl DIE Definition von Gender-Marketing und Pink Tax. Und schließlich kommt noch der Umweltaspekt hinzu. Das Material bewerben die Männer als besonders toll, weil jeder Handschuh einzeln verpackt und recycelbar ist. Einmal Tamponwechseln mit Pinky würde allerdings zwei Plastikhüllen und zwei Handschuhe als Müll hinterlassen und in Kombi mit dem Tampon kann der Handschuh sowieso nicht mehr recycelt werden. Deutlich umweltfreundlicher wäre da die Periodenunterwäsche der beiden Gründerinnen Kristine Zeller und Dr. Kati Ernst. Die konnten sich damals mit den Löwen auf keinen befriedigenden Deal einigen, da ihr Produkt ein „Nischenprodukt“ sei.
Am Montag ist Löwe Ralf Dümmel aber so begeistert, dass er mit 30.000 Euro in Team Mansplaining einsteigt. Seither hagelt es im Netz Kritik. "Ich bin geschockt, wie unnötig, umweltfeindlich und sexistisch dieses Produkt ist" oder "Patriarchat at its best" schreiben die User*innen und kriegen auch schon prominente Unterstützung: Unternehmerin Tijen Onaran macht sogar auf Statistiken aufmerksam, die beweisen, dass von Frauen entwickelte Frauenprodukte eher abgelehnt werden, während von Männern entwickelte Frauenprodukte als heldenhaft angesehen werden. Wenn da mal nicht was gehörig falsch läuft.
Ein Menstruationsprodukt von drei nicht-menstruierenden Männern, die damit ein Problem lösen wollen, wo keines war. Danke für nichts.
Lena Kaltenbach