In "Moonfall" will Roland Emmerich die Welt zerstören. Mal wieder. Diesmal so blöd und effektreich wie selten. Kritik von Nico Esche.
Roland Emmerich zerstört die Welt und alle ihre Einwohner - wieder einmal. Alle paar Jahre kommt ein neuer Streifen des “schwäbischen Spielbergs” in die Kinos, der die Auslöschung jeglicher Existenz auf der Agenda hat. Doch hergehorcht: Diesmal ist er noch anspruchsloser und noch bombastischer als jemals zuvor.
Eine geheimnisvolle Kraft rückt den Mond aus seiner Umlaufbahn. Der Trabant droht auf die Erde zu stürzen und alles Leben zu vernichten. Die NASA-Managerin und ehemalige Astronautin Jo Fowler (Halle Berry) glaubt zu wissen, wie die bedrohte Menschheit diesem Schicksal entkommen kann. Nur sie weiß das? Nein, Verschwörungstheoretiker K.C. Houseman (John Brandley) glaubt das Geheimnis um den Mond schon länger zu kennen, wusste schon früh über die drohende Apokalypse und holt sich zur Rettung des Planeten den abgehalfterten, früheren Astronauten Brian Harper (Patrick Wilson) dazu.
“Moonfall”: So dünn die Geschichte, so augenöffnend die Bilder
Wieder einmal saß Regisseur Roland Emmerich am Drehbuch. Wie schon in “Godzilla”, “The Day After Tomorrow” oder “2012” scheitert er mal wieder grandios, eine auch nur halbwegs plausible, nachvollziehbare Geschichte auf Papier zu bringen. Der gebürtige Stuttgarter versucht seinen Figuren eine Geschichte zu geben, ihnen damit Leben einzuhauchen.
Zum Beispiel eben die platonische und durch einen Zwischenfall zu Beginn des Films gespaltene Beziehung zwischen Jo und ihrem einstigen Weggefährten Brian. Oder die Liebe zwischen K.C. und seiner schwer dementen und pflegebedürftigen Mutter. Erzählstränge, die im Laufe des Films vom Emmerich als Balast behandelt und im Effektgewitter verbrannt, oder am Ende hochnotpeinlich aufgelöst werden. Oft zeigen sich auch ganz klare Regiefehler. Warum wird in einer Szene auffällig der im Zündschloss hängende Schlüssel an Brians Motorrad präsentiert, wenn das nie aufgelöst wird?
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Doch, sind derlei handwerkliche Sperenzchen in einem Emmerich-Film überhaupt nötig? “Moonfall” ist nämlich genau das, was man erwartet, wenn man sich ein Ticket am Kinoschalter für einen Emmerich-Film zieht. Die Visual-Effects-Künstler hinter seinen Projekten holen stets das Beste aus der aktuellen Technik heraus, lassen Leinwände erzittern und Boxen dröhnen.
Es wummert und knallt ordentlich und niemand sonst vermag es die Zuschauerinnen so in den Sitz zu pressen. Die Bedrohung ist spürbar, von der ersten bis zur letzten Sekunde, besonders auf der großen Leinwand. Das kann er und das macht er fließbandartig seit Jahrzehnten. Allein: Manche mögen sich in dieser Hinsicht an Emmerichs Experiment "Anonymus" erinnern. Ein Film im Portfolio des Blockbuster-Regisseurs, der auf genau solche Effekthascherei verzichtet und in aller Seelenruhe ein Shakespeare-Biopic erzählt - einschläfernd, leider.
Halle Berry sorglos im All
Halle Berry, eine Frau, die nicht zu altern scheint und den besten Weg zur Hollywood-Legende entlang schreitet, wuppt gemeinsam mit ihren Kollegen den Plot - meist schlecht als recht. Immerhin, sie ist die einzige in der Darstellerriege, die der Bedrohung ins Gesicht geschrieben steht. Die Frau kann spielen, das hat sie schon vor zig Jahren in “Gothika” bewiesen. Und doch schleicht sich als Zuschauer das Gefühl ein, Frau Berry hat sich in manchen Szenen außerordentlich unwohl gefühlt, über die Worte, die Emmerich und sein Ko-Autor ihr in den Mund gelegt haben.
Patrick Wilson (“Insidious”) spielt den ehemaligen Buddy von Halle Berrys Rolle, hat schwere Familienprobleme und muss dabei zusehen, wie nicht nur seine ganz persönliche, sondern gleich die ganze Welt vor dem Kollaps steht. Welch Allegorie. Und das klassische Comic-Relief, das mit flotten Sprüchen die Stimmung aufheitert, wenn es mal (zu) ernst werden könnte, ist in der Rolle des K.C. Houseman gefunden. Fertig ist das Emmerich-Schema, nachdem all seine Filme zu funktionieren haben.
Hinzu kommt ein im Hollywood-Kino immer beliebter werdender Einsatz von Schleichwerbung - noch nie hat ein Lexus sooo gut bei einer Verfolgungsjagd zwischen brennenden Häusern und zu überspringenden, sich vor dem Wagen auftauender Schluchten, ausgesehen. Ganz zu schweigen von dem Sicherheitssystem an Bord der NASA-Schiffe, die- maximal prominent dargestellt - am Laufen gehalten werden vom Programm des Anti-Viren-Experten "Kaspersky" - einem russischen Hersteller wohlgemerkt und nicht etwa dem eines US-Entwicklers.
Ein Detail, das, ob zufällig geschehen oder nicht, ein kleiner Pluspunkt von “Moonfall” ist: Auf exzessiven Gebrauch von amerikanischen “Hurra-Patriotismus”, wie bildschirmfüllender US-Flaggen, verzichtet der deutsche Regisseur Emmerich ausnahmsweise.
“Moonfall”: einschalten, genießen, ausschalten, vergessen
Über zwei Stunden werden Zuschauervon hirnzersetzenden Dialogen eingelullt, während die Leinwand, schick wie selten, im CGI-Hölleninferno abgefackelt wird. “Moonfall” ist Blockbuster-Kino. Das Publikum soll nicht nachdenken, es soll vor allem fühlen. Denn tief in der Geschichte verbirgt sich eine eigentlich interessante Familiengeschichte - eigentlich sogar mehrere -, die vor allem dann zum Vorschein kommen, wenn Emmerich sie gegen Action-Krawumms schneidet.
Wer es schafft nach der Auflösung der Story nicht die Hände über den Kopf zu schlagen, hat verstanden, um was es in Emmerich-Streifen geht. Alle anderen dürfen sich den Bombast von “Moonfall” ab dem 10. Februar im Kino anschauen und sich selbst überzeugen.
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