Keanu Reeves ist als John Wick bereits zum vierten Mal als Auftragsmörder unterwegs. Dieses Mal legt er sich mit einem Abgesandten der Hohen Kammer an. Doch kann die Reihe wirklich noch einen drauflegen?
Alles startete mit einem getöteten Hund. Während der erste „John Wick“ aus 2014 auf den folgenden Rachefeldzug der titelgebenden Figur konzentrierte, wurde nebenbei eine Parallelwelt voller zwielichtiger Gestalten und Auftragskillern skizziert. Die bildete die Grundlage für die kommenden zwei Fortsetzungen, in denen diese Mythologie weiter ausgebaut wurde, während Keanu Reeves als Hauptfigur sich seine zahlenmäßig immer mehr werdenden Kontrahenten immer brutaler entledigte. Allerdings waren es meist durch Erklärbär-Dialoge, in denen zwei Figuren mit Fakten und Begriffen durch die Gegend warfen. Das war selten spannend – und Gott sei Dank legt genau hier „John Wick: Kapitel 4“ endlich eine Schippe drauf.
„John Wick: Kapitel 4“: Darum ist der Film besser als die Vorgänger
Ein großer Grund dafür ist Bill Skarsgård. Der Pennywise-Darsteller aus den jüngeren „Es“-Filmen spielt den Marquis, der von der Hohen Kammer, der ominösen Macht hinter den ganzen Auftragskiller-Gesetzen, alle Befugnisse bekommen hat, um John Wick (Reeves) auszuschalten. Dafür setzt er zuerst dessen Freund und Manager des New Yorker Continental Hotels Winston (Ian MacShane) unter Druck und reaktiviert einen Meisterassassinen, Wicks Freund Caine (Donnie Yen).
Dadurch, dass die Hohe Kammer nun nicht mehr nur eine vage Institution im Hintergrund ist, sondern endlich ein Gesicht bekommt, das mehr tut als nur finster drein zu blicken. Und Skarsgård hat sichtlich Freude daran, den arroganten Schnösel-Bösewicht zu mimen. Der Marquis ist jemand, den man wegen seiner Arroganz und seiner angeblichen Überlegenheit gerne hasst. Generell schlägt „Kapitel 4“ endlich auch bei den Figuren und der Hintergrundgeschichte optisch den Weg ein, den die Action schon vorher genommen haben: Alles wird größer und absurder. Bisher wurde sehr viel nur angedeutet, aber endlich bekommen wir auch mehr als nur kleine Happen von der Auftragsmörder-Welt zu sehen. Angefangen von einer riesigen Sanduhr, die von dem vor Gravitas nur so triefenden Clancy Brown übergeben wird, über den blinden Caine bis hin zu Killa – einem von B-Movie-Actionikone Scott Adkins im Fatsuit verkörperten Deutschen, sie alle bleiben, abgesehen von dem famosen Zero (Mark Dacascos) im Vorgänger, länger im Kopf als die bisherigen Widersacher von Wick.
Auch wenn die Story in dieser Art Film eine untergeordnete Rolle spielt, ist es dem Autoren-Team hoch anzurechnen, wie sie sich aus einer bestimmten Misere befreien. Denn John hat sich durch seine Taten im Grunde immer weiter in eine ausweglose Situation manövriert. Zwar gibt es eine Art Deus Ex Machina, ein plötzlicher Umstand, der vorher in der Reihe nie erwähnt wurde, aber alle Probleme löst. Doch wie John da hinkommt und die Gespräche, die er mit Widersachern und Freunden führt, zeigen ihm immer wieder auf, zu welcher Art Mensch er geworden ist – nämlich jemand, den seine verstorbene Frau gehasst hätte. Am Ende gibt es definitiv die Möglichkeit, Fortsetzungen und auch Spin-offs zu entwickeln, aber „Kapitel 4“ wäre auch ein hervorragender Abschluss für die Saga.
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„John Wick: Kapitel 4“: Nicht alles Schüsse treffen
Jedoch gibt es auch einige Eigenheiten im Drehbuch, die gerade in Bezug auf die Vorgänger-Filme merkwürdig wirken. Im vierten Kapitel wird John Wick endgültig zu einer Art brutaleren und besser durchchoreografierten Version von „James Bond“. Das fängt bei den High-Tech-Waffen an, die immer ein Teil der Reihe waren, aber hier nochmal besonders zum Einsatz kommen. Viel krasser wird dies aber bei den vielen Ortswechseln. Es verschlägt Wick wieder in eine marokkanische Wüste, nach Osaka, Berlin und Paris. Leider wird gerade aus dem Berlin-Setting wenig herausgeholt, dafür zeigen Osaka und Paris viel von ihrem eigenen Flair. Wenn allerdings im dritten Teil ein großer Plotpunkt war, dass die Hauptfigur nur über Umwege reisen konnte, ist es schon verwunderlich, wie einfach und problemlos hier das Location-Hopping passiert.
Ein anderer Kritikpunkt ist die Action. Das liegt aber keinesfalls daran, dass sie schlecht ist, im Gegenteil. „John Wick: Kapitel 4“ ist wieder ein absoluter Maßstab, sowohl für Schuss-Gefechte als auch Einzelkämpfe. Alleine die Sequenz in einem leerstehenden Haus, in der die Kamera plötzlich über den Köpfen aller schwebt, ist atemberaubend und nur die Speerspitze einer hervorragenden Arbeit. Dennoch waren die Aufeinandertreffen zwischen Wick und seinen Häschern im dritten Teil zum einen deutlich rabiater und schonungsloser, zum anderen ruhiger inszeniert. Dadurch verliert „Kapitel 4“ einiges von seiner Wirkung. Ein anderer Kritikpunkt ist die Wiederholung. Einige Setups und Moves kommen immer wieder vor, oftmals auch kurz hintereinander. So ist es vielleicht bei den ersten Malen spannend und intensiv, wenn jemand mit voller Wucht von einem Auto angefahren wird. Wenn dies allerdings innerhalb von rund 15 Minuten noch acht weitere Male geschieht, verfliegt dieser Effekt schnell – und das passiert bedauerlicherweise nicht nur ein mal.
„John Wick: Kapitel 4“: Fazit
Das nimmt aber zum Glück nicht viel vom Spaß weg, den „John Wick: Kapitel 4“ bereitet. Die Reihe geht noch viel mehr als vorher in ihrer Prämisse auf und liefert erinnerungswürdige Figuren am laufenden Band. Denen gegenüber steht ein wie immer stoischer Keanu Reeves mit vollem Körpereinsatz in fantastischen Action-Sequenzen, die trotz mancher Kritik zu den besten ihrer Art gehören. So kann es gerne weitergehen.
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