Der Druck auf „Dragon Age: The Veilguard” und das Entwicklerstudio BioWare war riesig. Kann das Action-Rollenspiel die Erwartungen erfüllen? Das verraten wir im Test!
Ungefähr nach 20 Stunden Spielzeit hatte mich „Dragon Age: The Veilguard“ endgültig gepackt. Und das lag nicht etwa an einer epischen Schlacht oder an einem Wendepunkt der durchaus packend erzählten Geschichte, sondern vor allem an einem simplen Dialog: Titelheld Rook und Solas, der Schreckenswolf, stehen sich im Nichts gegenüber. Beide wollen auf ihre Art und Weise einen Stempel in der Welt von Thedas hinterlassen. Einem sind die Hände gebunden. Der andere weiß nicht, was er mit seinen Händen als Erstes anpacken soll. Es beginnt ein fast schon philosophischer Dialog, der die Grenzen von Gut und Böse endgültig verwischen soll. Gibt es das vermeintlich „Böse“ überhaupt, wenn die Welt kurz vor dem Abgrund steht? Oder ist der Pakt mit dem Teufel vielleicht doch eine Notwendigkeit?
Für einen kurzen Moment ist sie wieder da: Die erzählerische Brillanz von BioWare, die Meisterwerke wie die „Baldur’s Gate“- und „Mass Effect“-Reihe oder das gefeierte „Dragon Age: Origins“ hervorgebracht hat. Zwar ist „Dragon Age: The Veilguard“ bei weitem kein perfektes Spiel und bedient sich fleißig bei der Konkurrenz, wie bspw. der „God of War“-Reihe, um das Spiel einem möglichst modernen und breiten Publikum appetitlich zu machen. Doch wenn Bioware die narrativen Muckis spielen lässt, uns mitreißende Einzelschicksale erleben lässt und uns kurz darauf in epische Schlachten schickt, bei denen man wirklich das Gefühl hat, dass es um etwas geht, dann macht „Dragon Age: The Veilguard“ so richtig Spaß. Und das ist nach der sehr schwierigen Vorgeschichte schon deutlich mehr, als man erwarten konnte.
Neulinge willkommen, doch Vorkenntnisse definitiv erwünscht
Tatsächlich ist „Dragon Age: The Veilguard“ ein storylastiges Action-Rollenspiel, das fast direkt an die Ereignisse von „Dragon Age: Inquisition“ anknüpft. Dass Bioware sein neuestes Rollenspiel etwas einsteigerfreundlicher gestalten will, zeigt sich auch schon daran, dass im Gegensatz zu den Vorgängern nur wenige Auswirkungen aus dem Vorgänger tatsächlich übernommen werden. Ihr habt zu Beginn die Möglichkeit vier Entscheidungen aus Inquisition zu übernehmen, die als Ausgangslage für das Spiel genommen werden. Natürlich sind viele Figuren aus den alten Spielen, wie bspw. Varric oder Solas wieder an Bord, doch grundsätzlich funktioniert die Geschichte von „Dragon Age: The Veilguard“ auch für absolute Neulinge.
Naja, zumindest größtenteils. Vor allem im späteren Verlauf der Geschichte hilft es schon, wenn ihr wisst, was es mit den Inquisitoren oder den Venatori tatsächlich auf sich hat. Hier hilft euch natürlich auch ein kleines Ingame-Kompendium, doch ersetzt natürlich nicht das Wissen, mit dem Fans der Vorgänger-Teile ins Spiel gehen werden und zahlreiche Entscheidungen und Twists erleben, die natürlich einen anderen Stellenwert bekommen, wenn man mit dieser legendären Franchise groß geworden ist. Ebenfalls keine Überraschung: Im Charakter-Editor könnt ihr erneut Stunden damit verbringen euren Menschen, Elfen, Zwerg oder Qunari visuell zu erschaffen. Habt ihr das Ausgangsvolk gewählt, geht es an die Spielklasse: Ihr könnt zwischen Kämpfer:innen, Magier:innen und Schurk:innen auswählen, die im sehr flexiblen Skill-System auch in bestimmte Sub-Klassen entwickelt werden können. So haben wir bspw. Titelfigur Rook als Magier begonnen und schließlich zu einem Beschwörer ausgebildet. Jeweils drei Subklassen pro Klasse stehen euch zur Verfügung. Der Skill-Baum lässt es euch aber auch frei einen Allrounder ohne Spezialisierung zu erschaffen, auch wenn das nicht unbedingt sinnvoll wäre. Zusätzlich müsst ihr euren Helden noch einer der sechs Fraktionen des Spiels zuordnen, was sich vor allem auf mögliche Dialogoptionen im Verlauf des Spiels auswirkt.
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„Dragon Age: The Veilguard“ beginnt etwas (zu) langsam, aber wird immer besser
Stoppt Solas lautet eure Mission zu Beginn von „Dragon Age: The Veilguard“. Während um euch herum Dämonen herumgeistern, werdet ihr nicht nur mit dem Kampfsystem bekannt gemacht, sondern trefft auch eine schicksalhafte Entscheidung: Zwar könnt ihr Solas im letzten Moment aufhalten, doch lasst damit auch zu, dass die beiden Elfengötter Elgar’nan und Ghikan’nain ihren großen Auftritt bekommen und die Welt von Thedas endgültig ins Chaos stürzen möchten. Die Ausgangsgeschichte braucht ehrlicherweise zu Beginn etwas Zeit bis sie richtig in Gang kommt: Da hilft es auch nicht, dass ihr zu Beginn mit wenigen Spielfiguren interagiert und die Dialoge noch etwas oberflächlich wirken.
Doch sobald ihr Figuren, wie den großartigen und spitzfindigen Nekromanten Emmerich trefft, der von seinem skelettierten Helfer Manfred begleitet wird, entfaltet „Dragon Age: The Veilguard“ seine erzählerische Stärke. Die Interaktion mit euren Gefährt:innen, von denen meist zwei in den Quests an eurer Seite stehen, gehören zu den großen Stärken des Spiels. Im Verlauf der 40- bis 50-stündigen Kampagne müsst ihr dabei klassische Entscheidungen à la Bioware treffen: Unterstützt ihr einen Gefährten, hat das möglicherweise (bedrohliche) Auswirkungen auf eine andere Figur eurer „Dragon Age“-Truppe – und auch auf den Fortlauf der Story. Wir hätten uns durchaus noch öfter solche Schicksalsmomente gewünscht, doch auch so wird die Geschichte von „Dragon Age: The Veilguard“ von Spielstunde zu Spielstunde immer packender und mitreißender, was auch an den wirklich gut geschriebenen Figuren liegt.
Der Launch-Trailer zu "Dragon Age: The Veilguard":
Starkes Action-Kampfsystem mit “God of War”-Anleihen
Storytechnisch verschreibt sich “Dragon Age: The Veilguard“ also ganz der guten alten BioWare-Tradition. Beim Kampfsystem sieht das ganz anders aus: Hier orientiert sich das Spiel deutlich mehr an modernen Action-Rollenspielen á la „God of War“, um das vielleicht spannendste Kampfsystem der Reihe zu entwerfen. Grundsätzlich laufen alle Kämpfe in Echtzeit ab und sind damit deutlich anders gestaltet als in den Taktik-RPG-Vorgängerspielen. Ihr könnt die Kämpfe allerdings jederzeit stoppen, um spezielle Attacken zu aktivieren bzw. euren Gefährten Anweisungen zu geben, welche Spezialfähigkeiten sie auf welche Gegner abfeuern sollen. Hier ergeben sich nicht nur Kombo-Möglichkeiten, sondern spannende Möglichkeiten Nah- und Fernkämpfer:innen sinnvoll zusammenzustellen. Tatsächlich spielt sich „Dragon Age: The Veilguard“ sehr actionreich, fast schon wie ein Soulslike-Spiel, auch wenn ihr den Schwierigkeitsgrad natürlich frei auswählen und dementsprechend deutlich einfacher gestalten könnt.
Ausweichen, parieren und blocken sind aber essenzielle Bestandteile der abwechslungsreichen Kämpfe, die ähnlich wie die Story im Verlauf der Geschichte immer besser werden: Das liegt auch am flexiblen Skill-System, das euch auch bspw. als Magier:in eine tolle Mischung aus Nah- und Fernkampftaktiken auswählen lässt. Sollte euch euer Build nicht gefallen, ermutigt euch das Spiel (ohne Strafzahlung) eure komplette Spielfigur zu respeccen und neu aufzuziehen. Generell hat uns das Kampfsystem bis zum Ende begeistert, wenngleich wir uns bei den Standard-Gegnern manchmal etwas mehr Abwechslung gewünscht hätten.
Looten & Questen in einer stimmungsvollen Spielwelt
Zu Beginn waren wir fast schon überrascht, wie geradlinig und linear „Dragon Age: The Veilguard“ abläuft. Doch im Verlauf der Story öffnen sich immer mehr Areale zur freien Erkundung und laden euch eine große Schatzkiste mit Ausrüstung und Waffen zu finden bzw. Erfahrungspunkte zu sammeln, um eure Figur stärker zu machen. Die Spielwelt bietet dabei wirklich viel Abwechslung: Von weitläufigeren Arealen in sehr unterschiedlichen Biomen bis hin zu Stadtsettings, die viel Vertikalität bieten, ist alles dabei. Tatsächlich lohnt sich das Erforschen, da einige Schatzkisten durchaus knifflig auf der Karte verstreut bzw. versteckt sind und oftmals kleinere Puzzle-Einlagen erfordern.
Zwar hätten wir aus persönlicher Präferenz auf den Comic-Stil des Spiels verzichten können, trotzdem ist „Dragon Age: The Veilguard“ aus technischer Sicht wirklich ein sehr hübsches Spiel geworden. Moderne Raytracing-Technik sorgt (in der PC-Fassung) für ein wirklich sehr stimmungsvolles Licht-Setting. Texturen, Details und Animationen bewegen sich wirklich auf einem sehr guten Niveau. Zwar steht unser separater Tech-Check auf PC noch aus, doch auch was die Performance und Qualität der PC-Fassung angeht, waren wir sehr zufrieden: Bis auf 3–4 Abstürze bedingt durch ein Problem mit dem Nvidia-Grafiktreiber, lief das Spiel auf unserem Testsystem mit 4K-Auflösung und DLSS 2 Balanced meist mit deutlich über 60 Bildern pro Sekunde – auf höchsten Detail- und Raytracing-Einstellungen. Lediglich bei einer Sequenz mit Nekromant Emmerich ging die Framerate einmal in die Knie. Sonst gehört „Dragon Age: The Veilguard“ zu einem der stabilsten PC-Releases der letzten Zeit. Für eine endgültige technische Einschätzung wollen wir auch noch den Frame Generation-Modus austesten, der in der Pre-Release-Version nicht verfügbar war.
Fazit zu „Dragon Age: The Veilguard”
Tatsächlich hat BioWare mit “Dragon Age: The Veilguard“ ein zeitgemäßes Action-Rollenspiel erschaffen, dass das Beste aus zwei Welten zusammenbringt. Auf der einen Seite bietet das legendäre Spielstudio auch im neuesten Teil der „Dragon Age“-Franchise großartige Figuren und eine packende Story, die vor allem im Verlauf immer mehr mitreißt und begeistern kann. Auf der anderen Seite sorgt das sehr actionreiche und flexible Kampfsystem für viel frischen Wind und Abwechslung. Damit kann man wirklich zufrieden sein, denn die Vorzeichen für ein gelungenes „Dragon Age“-Comeback waren nicht unbedingt gut. Da kann man kleinere Schwächen, wie die repetitiven Gegner, den langsamen Beginn und die manchmal dann doch holprigen Dialoge auch sehr gut verschmerzen.
"Dragon Age: The Veilguard" erscheint am 31. Oktober 2024 für PS5, Xbox Series X|S und PC.