In dem neuen Film "Contra", der heute im Free-TV läuft, prallen die Welten eines zynischen Jura-Professors und einer um Anerkennung kämpfenden Studentin aufeinander. Im Interview sprechen die Stars des Films, Christoph Maria Herbst und Nilam Farooq, über Rassismus, Hass im Netz und der Problematik von Labels.
Weiter voneinander entfernt könnten Richard Pohl (Christoph Maria Herbst) !--startfragment-->und Naima (Nilam Farooq) in dem Film "Contra" (heute Abend um 20:15 Uhr im Ersten) von Sönke Wortmann eigentlich nicht sein: Er ein angesehener Jura-Professor, der um seine Macht weiß und diese auch immer wieder missbraucht, sie eine Studentin, die aufgrund ihres soziokulturellen Hintergrundes immer wieder Benachteiligung zu spüren bekommt.
Kinofilm "Contra": Wenn zwei Welten aufeinanderprallen
Die Wege der beiden kreuzen sich, als Naima sich für eine Vorlesung des Professors verspätet und dann nicht nur von ihm bloßgestellt, sondern auch noch rassistisch beleidigt wird. Weil die Leitung der Universität Wind von seinem Verhalten bekommt, wird er Richard Pohl schließlich dazu verdonnert, Naima auf einen Debattierwettbewerb vorzubreiten.
Während die beiden anfangs überhaupt nicht auf einen Nenner kommen, näheren sich die beiden im Laufe der Zeit immer mehr an und erkennen, dass sie trotz aller Gegensätze mehr zu verbinden scheint, als auf den ersten Blick gedacht. Im Interview mit TV Movie Online erklären Christoph Maria Herbst, warum der Film eine solche Dringlichkeit hat und woran die Diskussionskultur in Deutschland dieser Tage krankt.
TV Movie Online: 2019 hatte der Film schon Aktualität, danach ist Halle passiert, danach ist Hanau passiert, danach ist Black Lives Matter passiert. Haben Sie das Gefühl, der Film hat noch mal zusätzlich an Dringlichkeit bekommen in den vergangenen Jahren?
Christoph Maria Herbst: Ich glaube die Dringlichkeit war immer schon da. Jedes Attentat ist für sich eine Tragödie. Es geht um ein Mindset in den Köpfen und da müssen wir rankommen. Solange es so Typen gibt, wie den Professor, den ich spiele, der meint, Worte als Fallbeil missbrauchen zu dürfen, kann man behaupten, dass das schon zündeln ist und ein Vorbereiten von noch schlimmeren Dingen. Insofern ist unser Film leider zeitlos.
Nilam Farooq: "Ich möchte nicht aufhören zu glauben, dass jeder werden kann, was er will"
Naima ist jung, sie ist eine Frau und sie hat einen Migrationshintergrund. Salopp ausgedrückt: Schwieriger könnte es für sie kaum sein. Dennoch schafft sie es, ihren Traum zu verwirklichen. Glauben Sie, dass das wirklich realistisch ist?
Nilam Farooq: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir daran glauben, dass das möglich ist. Es ist ein Fakt, dass der Weg in vielen Fällen aufgrund des kulturellen Hintergrundes der Migration einfach schwerer und steiniger ist. Ich möchte aber nicht aufhören zu glauben, dass jeder das werden kann, was er will.
Christoph Maria Herbst: „Contra“ ist ein Feelgood-Märchen – leider. Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir das so auch im wahren Leben erleben dürften. Aber mir haben ja auch keinen Dokumentarfilm gemacht, sondern eine Komödie, die nicht reinsten Wassers ist. Es beweisen ja die Zahlen und Statistiken: Es ist nach wie vor einfach so, dass jemand, der aus prekären Verhältnissen kommt und dann vielleicht auch einen migrantischen Hintergrund hat, es viel schwerer hat. Das, was Nilam postuliert hat, ist ein frommer Wunsch, den ich natürlich auch habe. Zu sagen: ‚Alle haben dieselben Rechte und Möglichkeiten‘ ist Bullshit. Das ist natürlich nicht der Fall. Das ist leider die Gesellschaft, in der wir leben. Und uns geht es ja noch viel besser, als den allermeisten auf der Welt. Aber auch Deutschland ist kein Garten Eden.
Herr Herbst, Sie haben in einem Interview gesagt, dass sie sich mit Labeln wie dem des weißen Mannes schwertun. Wo sehen sie die Problematik? Offenbart der Film nicht gerade zu Anfang, genau das, was hinter dem Label steckt?
Christoph Maria Herbst: Da habe ich glaube ich sehr als Schauspieler geantwortet. Ich wollte diese Rolle des Professors eben nicht als reinen Rassisten spielen, weil mich dann diese Figur nicht interessiert hätte. In der besagten Szene gibt meine Rolle natürlich rassistische Sätze von sich, aber wenn ich rassistische Sätze von mir gebe – als ich oder auch als Professor Pohl – muss ich noch nicht zwingend ein Rassist sein. Das wäre mir für die Figur zu eindimensional. Im Film bekommt man mit, warum er so zynisch und ein Provokateur geworden ist. Er wurde ja nicht als Zyniker geboren. Wenn jemand ein Label auf die Stirn bekommt und dann gesagt wird: ‚Der ist das jetzt und wir geben ihm keine Chance, noch etwas anderes sein zu können‘, das finde ich schwierig. Und genau das hat der Film ja auch zum Thema. Dass wir eben nicht nur in die Diskussion treten, sondern auch in einen Diskurs. Dass wir die Meinung von jemand anderem gelten lassen und auch in die Zwischentöne reinhören, und nicht mit diesen polarisierenden Labels arbeiten.
Ihre Rolle des Professor Pohl muss man erst hassen, um sie dann im Laufe des Films mögen zu lernen. Was sollen die Zuschauer*innen von der Rolle mitnehmen?
Christoph Maria Herbst: Dass wir Menschen vielleicht versuchen müssen in ihrer Komplexität zu erfassen und weniger eindimensional. Dass wir Andere erst einmal ausreden lassen und ihnen erst einmal zuhören. Genau darum geht es bei den Debattierwettbewerben im Film. Das ist zwar zeitlich begrenzt, aber zumindest darf jeder einmal seinen Standpunkt ausformulieren und alle haben zuzuhören. Wir sollten uns vielleicht mehr in Unvoreingenommenheit üben. Das ist schwierig, aber ich würde es mir wünschen.
In einer Szene im Film äußert Naimas Kommilitonin wirklich extreme rassistische Beleidigungen. Glauben Sie, man muss immer zuhören, auch wenn es sich um solch schreckliche Worte handelt?
Nilam Farooq: Natürlich – um dann darauf reagieren zu können. Widersprechen kann ich nur, wenn ich zuhöre. Und nur dadurch kann ich argumentativ an jemanden herankommen. Wenn man so verschiedene Standpunkte hat, ist man emotional schon sehr weit entfernt voneinander, dass es fast nur noch über Fakten geht – wenn überhaupt. Ich muss sagen, ich bin auch oft im Zwiespalt einfach zu sagen: ‚Das gebe ich mir gar nicht mehr.‘ Gerade jetzt auch in Corona-Zeiten. Ich glaube, es ist eine Gefühlssache. Ob ich das Gefühl habe, ich kann da noch was zurückholen und argumentieren oder ob einfach Hopfen und Malz verloren sind. Ich finde es auch schade, es zu sagen, aber mir fällt es dann manchmal schwer, da noch etwas zu machen. Zugegeben: Ich habe für mich noch nicht den richtigen Weg gefunden.
Christoph Maria Herbst: "Sprache ist eine Waffe"
„Contra“ zeigt, wie mächtig Worte sein können. Glauben Sie, in einer Gesellschaft wie der unseren haben die lauten, krawalligen Worte eine größere Wirkung als die leiseren, bedachteren?
Christoph Maria Herbst: Das Problem ist, dass man mit den Lauten, mit den Schreiern schon a priori kein Gespräch führen kann, weil sie nicht zugänglich sind für Argumente. Dann selbst in diesen Tonfall zu verfallen, ist nicht des Rätsels Lösung. Das sind Menschen, die sich selbst abhängen und das ist dann einfach so. Mich persönlich holt eher jemand ab, der nachdenklich und bedacht ist und auch noch gut formulieren kann. Denn: Klar, Sprache ist eine Waffe.
Frau Farooq, Debattieren macht einen großen Teil des Filmes aus. Wie haben Sie sich auf die Debatten vorbereitet und wie verhalten Sie sich persönlich in solchen Gesprächen? Sind Sie eher impulsiv und emotional oder eher sachlich?
Nilam Farooq: Die Fragen greifen tatsächlich ineinander. Die Vorbereitung bestand darin, dass wir Debattierwettbewerbe besucht haben und ich in diese ganze Szene eingetaucht bin. Und ich hatte eine Rhetorik-Coachin, die mich vorbereitet hat. Wir haben uns Reden angeschaut und besprochen. Sie hat mir einiges auf dem Weg gegeben, was ich auch für mich selbst verinnerlicht habe. Ich bin jemand, der sehr gerne streitet. Streit kann etwas ganz Tolles sein, wenn er sich über der Gürtellinie abspielt. Meine Coachin hat mir mitgegeben, dass ich anfangen muss, meinen Gegner zu lieben, um ihm meinen Standpunkt klar zu machen.
Die rassistischen Äußerungen des Professors erreichen erst durch die sozialen Medien eine breite Masse und durch sie hat sein Verhalten schließlich auch Konsequenzen. Es wird oft über die Nachteile von Social Media gesprochen, aber sehen Sie diese auch als Chance, um offen zu legen, wenn etwas falsch läuft?
Nilam Farooq: Einerseits kann man vielleicht mehr aufdecken, Probleme sichtbarer machen, weil Dinge viral gehen. Anderseits ist das Netz einfach ein Ort von sehr viel bösen Worten und Hass. Deswegen glaube ich nicht, dass es die richtige Lösung ist. Die Frage ist dann einfach, wie man es nutzt. Ich finde es unfassbar wichtig, dass man früher an die jungen Leute herangeht und es mit ins Bildungsprogramm aufnimmt, wie man Sprache im Netz benutzt, weil wir jetzt immer wieder sehen, wie das Ganze eskaliert.
Christoph Maria Herbst: In unserem Film ist es ja so, dass der Professor überhaupt kein Unrechtsbewusstsein hat. Wenn diese Handykameras nicht auf ihn gerichtet gewesen wären, hätte er so gesprochen und unter Umständen hätte er auch gesagt: ‚Ja, filmt das ruhig alle‘. Ihm ist gar nicht bewusst, was er da gerade tut. Und das ist noch viel eher die Wurzel des Problems.!--startfragment-->
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