Mit "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" sollte das Marvel Cinematic Universe mit Sam Raimi im Regiestuhl einmal auf den Kopf gestellt werden. Warum das aber nur teilweise gelingt, verraten wir euch in unserer Filmkritik!
Es ist nicht nur die eigenbrötlerische Art, die "Doctor Strange" (Benedict Cumberbatch) zu einem der großen Außenseiter in der MCU-Heldenriege werden ließ. Schließlich wissen wir ja schon lange, dass mit „großer Macht auch große Verantwortung“ folgt. Und auch wenn Dr. Strange sicherlich zu den mächtigsten Helden im Marvel-Universum gehört, fehlt ihm definitiv der emotionale Anker, der bspw. "Spider-Man" und "Iron Man" zu den beliebtesten Helden im MCU werden ließ. Und wenn wir ehrlich sind, dann ist Dr. Strange auch trotz seiner immensen Weisheit und unglaublichen magischen Fähigkeiten auch manchmal ein ziemlich egoistischer Trottel: Nicht etwa, weil er "Iron Man" aka Tony Stark opfern musste, um die einzige Chance zu bewahren, die Welt vor Thanos zu retten, sondern weil er bspw. in „Spider-Man: No Way Home“ mit einem vermeintlich-unbedachten Wohlgefallen fast das komplette Multiversum aus den Fugen gebracht hätte.
Doctor Strange 2: Zwei Seelen in einem Film
Zu Beginn von „Doctor Strange 2“ taucht unser eigenwilliger Protagonist dann auf der Hochzeit seiner Ex Christine Palmer (Rache McAdams) auf, die er nach seinem schweren Unfall hundsmiserabel behandelt hatte und der er bis heute hinterhertrauert. Doch nicht etwa Christine erweckt als sprichwörtliche "Frau seiner Träume" sein plötzliches Interesse, sondern die junge America Chavez (Xochitl Gomez), die sich mitten in Manhattan plötzlich mit einem riesigen einäugigen Monster rumschlagen muss und dabei netterweise etwas Schützenhilfe von Dr. Strange und Wong (Benedict Wong) erhält. Strange erinnert sich, dass er regelmäßig von einem Alptraum heimgesucht wird, in dem America Chavez vorkommt und in welchem beide auf der Suche nach einem mysteriösen Buch von einem Dämonen gejagt werden. Tatsächlich beherrscht die junge Heldin eine unglaubliche Fähigkeit: Sie kann zwischen den Multiversen reisen - allerdings nur, wenn sie sich richtig fürchtet. Und die Angst ist definitiv berechtigt: Denn eine mächtige Widersacherin macht Jagd auf America Chavez, um sich ihrer wertvollen Fähigkeit zu bemächtigen. Dr. Strange ahnt zunächst nicht, dass es sich dabei um eine alte Bekannte im Marvel-Universum handelt…
Im fünften Film der 4. MCU-Phase schlagen einmal mehr zwei Herzen in einer Brust: Mit Regisseur Sam Raimi kehrt ein absolutes Schwergewicht auf den Regiestuhl zurück. Und tatsächlich drückt der Kult-Regisseur (Evil Dead, Spider-Man) "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" quasi in jeder Sekunde seinen ganz individuellen Stempel auf. Kaum ein Film aus dem Marvel-Universum weist eine derart klare Handschrift des eigenen Regisseurs auf – von den Raimi-typischen Kamera-Drehungen und -Neigungen, die so auch in einem Evil Dead-Film vorkommen könnten, über gezielte Genre- und Horror-Einlagen, die nur die wenigsten in einem Marvel-Film erwartet hätten bis hin zu witzigen Cameos und generell einfach einem wunderbaren B-Movie-Charme. Endlich entledigt sich mal ein Marvel-Film diesem typischen Einheitsbrei des glattpolierten und perfekt durchtakteten Superhelden-Blockbusters und ist, im positiven Sinne, auch mal schluderig, wild und uneben.
Auch spannend:
- "Venom 3": Fortsetzung der Marvel-Reihe offiziell bestätigt
- Thor 4: Trailer zeigt erstmals Natalie Portman als weiblichen Thor
- Amazon: Die besten tagesaktuellen Schnäppchen in der Übersicht*
Doctor Strange 2: Das Drehbuch enttäuscht
Gleichzeitig ist „Doctor Strange 2“ dann aber eben doch ein standardmäßiger Marvel-Film und reizt das große Potenzial einfach viel zu selten richtig aus: Es gibt diese grandiose visuelle Sequenz, als Strange und America Chavez einmal quer durch die Multiversen reisen und tatsächlich durch eine große Anzahl an kreativen und cool visualisierten Szenarien geschleudert werden. Allerdings wirkt es im Gesamten eher so, als hätte das Drehbuch von Autor Michael Waldron eine eingebaute "Madness"-Drossel integriert: Immer, wenn Raimi & Co. dem Wahnsinn wirklich freien Lauf lassen könnten, kehrt der Film wieder zur ziemlich linearen und simpel gezeichneten Geschichte zurück, die (und so ehrlich muss man leider sein) eigentlich ziemlich enttäuschend ausfällt. Das ist auch deshalb überraschend, weil Waldron eines der Masterminds der grandiosen Disney+ Serie „Loki“ ist und dort ja schon bestens Erfahrung mit Multiversen und spannenden Storylines gesammelt hat. Doch in „Doctor Strange and the Multiverse of Madness“ beruft sich der Autor auf extrem typische und altbekannte Erzähl-Motive im MCU: Neben Doctor Strange steht hier vor allem Wanda (Elizabeth Olsen) bzw. ihr Turn als „Scarlet Witch“ im Mittelpunkt und ihr unbändiger Drang nach der heiligen Familienidylle ("WandaVision"-Zuschauer*innen werden sich motivisch sehr schnell heimisch fühlen). Das ist tatsächlich etwas dürftig, weil die Geschichte schon zu Beginn viel Zeit braucht, um endlich warm zu laufen und den Rest des Films dann auch eher ge- als enthemmt wirkt.
So bleiben zwar einige der wildesten und abgedrehtesten Sequenzen der jüngeren MCU-Geschichte in Erinnerung, doch im Gesamtpaket fehlt „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ dann doch etwas die "Strangeness" und vor allem ein packenderes Drehbuch, um wirklich vollends begeistern zu können.
"Doctor Strange in the Multiverse of Madness" startet am 04. Mai in den deutschen Kinos. Den Trailer dazu seht ihr hier: