Am 19. Oktober kehrt Charlie Cox als Daredevil auf Netflix zurück. "TV Movie Online"-Redakteur Matthias Holm hat sich mit dem Schauspieler zum Interview getroffen.
2015 startete mit "Daredevil" die erste Marvel-Netflixserie. Nachdem der blinde Superheld bei der Crossover-Staffel "Defenders" gegen seine große Liebe Elektra kämpfen musste, ist er am Anfang der dritten Staffel ein gebrochener Mann. Im Interview sprach Schauspieler Charlie Cox über die Comic-Vorbilder, Religion und wie wohl ein glücklicher Matt Murdock aussehen würde.
TVM: Am Anfang der Staffel sieht man Matt Murdock ziemlich am Boden. Wie würdest du seinen Zustand beschreiben?
Charlie Cox: „Ich glaube, Matt ist kaputter, als er es je zuvor war. Und wenn man bedenkt, was er schon durchgemacht hat, sagt das einiges. Durch die Geschehnisse aus der zweiten Staffel und „The Defenders“ ist das allerdings nicht nur körperlich. Er ist wirklich am Tiefpunkt, emotional und spirituell. Zum ersten Mal in seinem Leben hinterfragt er Gott, was natürlich schwer für ihn als zutiefst religiösen Menschen ist. Er fängt an, nicht mehr an eine gütige, freundliche Kraft zu glauben, sondern eher an einen grausamen, bestrafenden Gott. Das alles macht ihn zu einer sehr verbitterten, wütenden Figur. Das, gepaart mit den Fähigkeiten, die Matt Murdock hat, macht ihn enorm gefährlich.“
Würdest du denn sagen, dass der religiöse Aspekt eines der Hauptthemen der Staffel ist?
„In dieser Staffel wird das noch prominenter hervorgehoben, das stimmt, aber die Religion ist immer ein Thema bei Matt Murdock. Seine Erziehung hat Einfluss auf sein ganzes Leben, es ist etwas, an das er ständig denkt. Ich bin selbst sehr religiös und es ist immer gegenwärtig, auch im Alltag.“
Es gab ja schon einige Hinweise, dass gerade die Daredevil-Geschichte „Auferstehung“ von Frank Miller in Staffel 3 eine Rolle spielt. Welche Elemente haben es denn in die Serie geschafft?
„Es sind tatsächlich mehr „Easter Eggs“ als Elemente. Thematisch bedienen wir uns an einigen unterschiedlich Comic-Geschichten, „Auferstehung“ ist da noch die offensichtlichste. Es gibt aber auch Aspekte aus „In den Armen des Teufels“ oder „Das Ende aller Tage“, die unser Showrunner in die Staffel eingewoben hat. Es gibt einige ikonische Momente und Figuren, sowie bestimmte Beziehungen, die man vielleicht aus „Auferstehung“ kennt, aber es ist keine Nacherzählung des Comics. Wir wollen den Zuschauern, die die Comics kennen, zwar etwas Bekanntes an die Hand geben, aber das Ende darf vorher natürlich nicht klar sein.“
Was für Hürden muss Matt denn in dieser Staffel überwinden? Was sind die größten Gefahren?
„Ich würde sagen, er selbst ist das größte Problem. Eine der größten Herausforderungen für ihn ist es, mit sich selbst wieder in Einklang zu kommen, herauszufinden, wer er ist und zu was er geworden ist. Er muss sich darüber im Klaren werden, was seine Rolle in der Gesellschaft in Zukunft sein soll. Auch, wie oder ob er weiterhin diese Form der Selbstjustiz ausüben kann. Das liegt nicht nur an den Verletzungen, die er erlitten hat, sondern auch daran, dass er das Gefühl hat, ineffektiv zu sein. Denn alles, was er erreicht hat, scheint ihn immer wieder in negativer Form heimzusuchen. Am Ende muss er einsehen, dass es so nicht funktioniert und die Art der Verbrecher, die er versucht hat zu bekämpfen, einfach nur mächtiger geworden ist. Das ist alles recht metaphorisch, die offensichtlich große Bedrohung dieser Staffel ist Wilson Fisk und was er darstellt.“
Also ist es eine deutlich persönlichere Geschichte als bisher. War das notwendig, nach dem riesigen Ausmaß der „Defenders“?
„Es hat durchaus Spaß gemacht, etwas in einen solch großen Rahmen zu spielen, aber ich glaube, jetzt da wir das geschafft haben, war der richtige Schritt, wieder zurückzukehren. Zu einem psychologischen Crime-Drama, wie wir es in Staffel 1 hatten. Damit konnten wir auch wieder dieses dunkle, geerdete und harte Gefühl reinbringen.“
Du hast dich vermutlich inzwischen daran gewöhnt, eine blinde Person zu spielen. Wie weiß man da eigentlich, in welche Richtung man gucken muss beim Dreh?
„Ich mache es am ehesten davon abhängig, wo die Kamera steht und wie groß die anderen Schauspieler sind. Es ist echt schwer und ich bin mir nicht sicher, ob ich es immer richtig hin bekomme. Es soll so aussehen, als ob er den anderen Figuren nicht in die Augen guckt, sondern nur in die grobe Richtung, das ist die Herausforderung.“
Ohne zu viel zu verraten: Es gibt ja, wie in den Staffeln davor auch, einen spektakulären Longtake. Wie lief die Planung und der Dreh dafür ab?
„Oh Gott, das war ein riesiges Unterfangen. Ich dachte erst, wir wären mit der Szene zu ambitioniert. Wir haben einen Tag frei bekommen, um die Szene zu proben – das ist im Fernsehen ein großes Risiko, da steckt eine Menge Geld hinter. Dann hatten wir einen ganzen Tag, nur um diese eine Szene zu drehen. Aber alle waren voll dabei, wir haben immer wieder geprobt und versucht, die Kamera mit meinen Bewegungen und denen des Stunt-Teams zu synchronisieren. Und irgendwie haben wir es hinbekommen, diese lange Szene in einem Shot zu drehen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass es geklappt hat. Das ist auch eine der Sachen, auf die ich am stolzesten bin in dieser Staffel.“
Wenn man mal in die Glaskugel guckt: Wird es ein weiteres Team-up mit den Defenders geben?
„Bisher gibt es da keine Pläne für. Das Problem dabei sind einfach die Termine. Wir haben alle unsere eigenen Serien, die eine ganze Menge Zeit beanspruchen. Es ist also schwierig, da die Produktion einzustellen, nur damit wir eine weitere Staffel „Defenders“ drehen. Vielleicht kommt da was in der Zukunft, momentan weiß ich es aber nicht.“
Du spielst Daredevil jetzt schon drei Jahre. Gibt es noch Sachen, die du mit der Figur erforschen möchtest? Oder besondere Situationen?
„Es wäre glaube ich mal gut, einen glücklichen Matt Murdock zu haben (lacht). Es hat Spaß gemacht, seine dunkle Seite zu sehen, aber ich denke es wäre schön, ihn mal komplett im Reinen mit sich selbst und dem, was er tut, zu sehen. Ich habe auch immer die ganzen Anwalts-Sachen gemocht, die wir hatten, es wäre schön, davon noch ein wenig mehr zu haben. Ich mag es einfach immer, wenn wir mal was Neues ausprobieren, einfach mal was anderes machen.“
Ein glücklicher Matt wäre definitiv was Neues. Vielen Dank für das Interview.