Der "Alien"-Schöpfer ist zurück: Warum “Alien: Covenant” für Regisseur Ridley Scott ein Herzensprojekt war, verriet er im Interview mit TV-Movie.de
Wenn man sich die Action, den Terror und die unbändige Wucht von "Alien: Covenant" vor Augen führt, kann man kaum glauben, dass sich Ridley Scott mit knapp 80 Jahren immer noch diesem alptraumhaften Sci-Fi-Trip verschrieben hat. Seine unglaubliche Beziehung zu den schaurig-perfekten "Alien"-Wesen geht aber immerhin fast 40 Jahre zurück – mit "Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" feierte Scott 1979 den endgültigen Durchbruch als Regisseur und startete eine beispiellose Hollywood-Karriere.
In "Alien: Covenant", der eigentlichen Fortsetzung des "Alien"-Spinoffs "Prometheus", beantwortet uns der Regie-Maestro endlich, wie sich die unheimlichen Alien-Kreaturen tatsächlich zu den perfekten Killer-Maschinen entwickelt haben, die uns schon unzählige schlaflose Nächte beschert haben. Dass Ridley Scott noch immer nicht vor den ganz großen Fragen des Kinos ausweicht, bewies er uns auch im Interview in Berlin zum damaligen Kinostart seines neuen "Alien"-Abenteuers. Eine Filmkritik zu "Alien: Covenant" findet ihr ebenfalls auf TV-Movie.de
TVMovie.de: Seit fast 40 Jahren sind Sie mit der „Alien“-Saga verbunden. Zuletzt haben Sie u.a. "Der Marsianer" gemacht. Glauben Sie eigentlich an anderen Leben da draußen im Universum?
Ridley Scott: Absolut. Mit Sicherheit sogar. Ich glaube seit 30 Jahren daran und dachte zwischenzeitlich, dass es nur Tom Cruise und mir so ginge (lacht). Ich hoffe nur, dass wir die High-End-Variante der Evolution sind. Wenn wir im Universum nämlich nur die "Neandertaler" sind, haben wir ein verdammtes Problem!
War der große Clou des "Aliens" damals, dass es einfach so realistisch wirkte, weil es ganz anders war, als alles andere zuvor?
Das ist ja die unglaubliche Schwierigkeit, wenn man so etwas designet. Und dafür muss ich natürlich H.R. Giger danken. Ich habe damals sein Buch "Necronomicon" in die Hand bekommen. Etwa in der Hälfte ist ein Profilbild des "Aliens" zu sehen und ich war einfach nur begeistert. Diese Kreatur ist einfach nur eine "Schönheit".
Wie wichtig waren die Einflüsse von H.R. Giger für den neuen Film?
Für mich ist er immer noch ein sehr wichtiger Einfluss. Mittlerweile glaube ich, dass der große Erfolg von "Alien" vor allem der Einzigartigkeit seiner Kreatur zu verdanken ist. Ich hatte damals ein großartiges Cast und wirklich beeindruckende Sets - aber ohne eine glaubwürdige Kreatur hätte der Film nicht funktioniert.
H.R. Giger gilt ja als sehr verschlossener Künstler: Wie sind Sie ihm damals begegnet?
Ich bin nach Zürich geflogen, um ihn in seinem Haus zu treffen. Wir haben stundenlang geredet und ab einem gewissen Punkt hat er mir wohl vertraut. Wie sie vielleicht wissen, leidet er unter einer enormen Flugangst. Wir mussten ihn dann nach London per Zug kommen lassen (lacht). Er hat dann tatsächlich über einem Pub gewohnt und war zehn Monate lang am Set dabei. Es war einfach großartig. Er ist ein sehr seltsamer, aber unglaublich angenehmer Mensch.
Damals hatten Sie noch nicht die Möglichkeit mit Computereffekten zu arbeiten: Vermissen Sie heute noch ein wenig die alte Schule der Tricktechnik?
Nein, gar nicht. Es war furchtbar. Wir hatten einen Typen in einem Gummianzug - das war einfach eine Katastrophe. Er hat seine Sache zwar unglaublich gut gemacht und war äußerst geduldig, aber der Grund warum so wenig vom Alien im ersten "Alien"-Film zu sehen ist, war eben die Tatsache, dass es sich um einen Typen im Gummianzug handelt.
Es gab mehrere Clips, die die Brücke zwischen "Alien: Covenant" und "Prometheus" schlagen und nur im Vorfeld online zu sehen waren. Haben Sie die Szenen im fertigen Film rausgeschnitten? Oder war das von Anfang an geplant?
Es war einfach eine andere Art, wie wir den Film bewerben wollten. Es wird so viel Geld in Fernsehwerbung investiert - teilweise frisst die weltweite Werbung für Blockbuster dieselbe Menge an Geld wie die Produktionskosten eines ganzen Films.
Das Internet ist als Werbeplattform hingegen kostenlos. Während wir den Film gedreht haben, kam uns die Idee für diesen kurzen Clip mit "Michael Fassbender". Wir haben den Film nicht einmal erwähnt. Wir wollten die Leute einfach neugierig machen. Wir haben dann 2-3 Clips in dieser Art gedreht und nicht einmal erwähnt, um was es sich genau handelt. Per Twitter hat das eine massive Reaktion ausgelöst - so habe ich den Film dann an die Leute "verkauft".
Es gibt eine Szene am Ende des Films, in der David dasselbe sagt wie Rutger Hauer zu Harrison Ford in "Blade Runner".
Diese Szene ist natürlich absichtlich im Film. Das erinnert mich daran, dass Rutger damals die letzte Rede in "Blade Runner" selbst geschrieben hat. Es war ein Uhr Nachts, mein letzter Tag am Set und plötzlich sagt mir jemand, ich soll zu Rutger in seinen Wohnwagen gehen. Er meinte dann zu mir: "Ich habe eine Rede verfasst." Und ich antworte entsetzt: "Um diese Uhrzeit?" Er meinte, aber ich soll einfach zuhören. Und es war tatsächlich die Rede, die es am Ende in den Film geschafft hat.
Warum haben sie sich entschieden "Blade Runner 2049" nicht selbst zu machen?
Als ich die Geschichte entwickelt habe, habe ich das hauptsächlich für mich gemacht. Gemeinsam mit Hampton Fancher. Dann habe ich Michael Green an Bord gebracht, der die 100-seitige "Novella" in ein Drehbuch bringen sollte. Er hat monatelang daran gearbeitet. Ich habe ehrlich gesagt nicht mit dem Erfolg von "Prometheus" gerechnet. Und dann stand die Entscheidung im Raum, ob ich "Alien: Covenant" oder "Blade Runner 2049" mache - und ich hab mich für Alien entschieden. Ich bin aber sehr glücklich darüber, dass Denis Villeneuve den Film macht.
"Alien: Covenant" provoziert auch die Frage, ob die Menschheit es überhaupt verdient hat zu überleben. Was ist ihre Meinung dazu?
Es ist eine sehr drastische Konklusion. Wenn man sich allerdings die Entwicklung der letzten Jahrhunderte anschaut und sich vor Augen führt, dass wir einfach überhaupt nichts dazugelernt haben, dann steckt eine gewisse Wahrheit in der Aussage. Mehr denn je werden unzählige Kriege aufgrund von Religion ausgefochten. Für Wasser wird mittlerweile gekämpft. Und der Krieg für Treibstoff ist auch nicht mehr auszuschließen. Haben wir seit dem Mittelalter irgendetwas gelernt? Ich denke nicht! Was in Aleppo passiert ist, ist mindestens genauso brutal, wie die schlimmsten Gemetzel im Mittelalter.
Warum ist Science-Fiction bzw. der Weltraum so prädestiniert dafür, um über die Rolle der Menschheit oder der grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz zu diskutieren?
Der Weltraum ist so eine Leere. Und die Religion hat uns gelehrt uns schuldig zu fühlen. Ich glaube zwar selbst nicht mehr an Gott, aber fühle mich immer noch unglaublich schuldig - und weiß nicht einmal wofür! Ich werde es aber nicht los. Man hat das einfach seit seiner Kindheit in der DNA. Die Logik, dass etwas da draußen sein muss, eine Kraft, die viel weiter und mächtiger ist als wir, macht für mich Sinn. Das erinnert mich an Stanley Kubricks "2001": Ein Affe wacht eines Morgens auf und entdeckt einen schwarzen Monolithen. Der Affe fasst ihn an - und nimmt am gleichen Tag noch einen Knochen zuhilfe, um eine Antilope damit zu töten. Evolution hat ihn gelehrt, was ein Werkzeug bzw. eine Waffe ist. Das ist eine massive Idee. Damit können wir arbeiten.
Wenn sie ein Szene rauspicken müssten, die die Essenz von "Alien: Covenant" beschreibt, welche wäre es?
Es wäre wohl diese eine Szene im Landungsschiff, in der Amy und Carmen von der Alien-Kreatur terrorisiert werden und völlig ausrasten.
Interview & Text: David Rams